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12. April 2006, von Michael Schöfer
Katholiken fordern Zensur


Über Karikaturen und Satire kann man trefflich streiten, insbesondere wenn der religiöse Bereich berührt wird. Uns allen sind ja noch die heftigen Reaktionen der islamischen Welt auf die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" im Gedächtnis. Nun versuchen Katholiken, in Deutschland die Ausstrahlung einer satirischen Fernsehsendung zu verhindern.

Der Fernsehsender MTV hat jüngst den Start einer neuen Cartoon-Serie (Popetown) angekündigt, die das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als "widerwärtige Verhöhnung der katholischen Kirche" bezeichnet. Sie würde "den christlichen Glauben in gröbster Weise in den Schmutz" ziehen. "Die Fernsehserie und die dafür werbende Anzeige sind ein direkter Angriff auf den christlichen Glauben. Was für Millionen von Menschen in Deutschland von fundamentaler Bedeutung für ihr Leben ist, wird in infamer Weise lächerlich gemacht. Die freiheitliche Ordnung lebt von den ethischen und religiösen Überzeugungen der Menschen. Daher sind die geplante Fernsehserie und diese Fernsehwerbung eine schwerwiegende Störung des öffentlichen Friedens. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken fordert, dass diese Fernsehserie nicht gezeigt wird, und prüft die Einleitung rechtlicher Schritte gegen die Fernsehwerbung", schreibt das ZdK in seiner Pressemeldung vom 10.04.2006.

Worum geht es? Das ZdK wendet sich "gegen eine ganzseitige Anzeige, mit der MTV für den Cartoon über einen 'durchgeknallten Papst' wirbt und die Jesus vor dem leeren Kreuz im Fernsehsessel und den Satz 'Lachen statt rumhängen' zeigt." [1] In der Sendung geht es u.a. um einen kriminellen Kardinal, der Waisenkinder in die Sklaverei verkauft.

Über Geschmack kann man in der Tat streiten, das galt schon in bezug auf die Mohammed-Karikaturen. Doch der dreiste Versuch des ZdK, eine als Verhöhnung des Glaubens empfundene Satiresendung zu verbieten, belegt erneut die äußerst fragwürdige Einstellung der Katholiken zur Presse- und Meinungsfreiheit. Die Grundsätze, die bei den Mohammed-Karikaturen gegolten haben, gelten selbstverständlich in gleicher Weise für Jesus- bzw. Papst-Karikaturen: Religionen haben sich den höherrangigen weltlichen Freiheitsrechten zu beugen. Wir leben nicht in einem Gottesstaat. Zum Glück. Religion ist Privatsache. Und Kritik am Glauben, selbst eine satirisch überzogene, muß erlaubt sein. Hierbei ist es obendrein völlig irrelevant, welches Glaubensbekenntnis angegriffen wird. Erfreulicherweise wurden der Kirche schon in der Zeit der Aufklärung die Giftzähne gezogen, so daß man heute weder den Einsatz der heiligen Inquisition noch eine für die Allgemeinheit verbindliche Bulle (päpstlicher Erlaß) fürchten muß. Die Verantwortlichen von MTV werden also nicht auf dem Scheiterhaufen landen oder ins Exil getrieben.

Der Vorgang dokumentiert freilich: Religionen respektive religiöse Menschen besitzen eine Affinität zur Intoleranz. Un- oder Andersgläubige werden allenfalls geduldet, Kritik an der eigenen Überzeugung schnell mit Blasphemie gleichgesetzt. Der Unterschied zwischen Katholizismus und Islam ist, was das angeht, lediglich graduell. Natürlich kann auf dieser Basis keine Demokratie funktionieren, denn die Presse- und Meinungsfreiheit ist für eine solche konstituierend. Insofern ist der Zensurversuch des ZdK energisch zurückzuweisen und wird hoffentlich, sofern es zu überhaupt zu einer gerichtlichen Klärung kommt, von der Justiz abgeschmettert.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 11.04.2006