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25. Januar 2007, von Michael Schöfer
Unschuldig hinter Gittern


Roy Brown wurde 1991 zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er eine Frau ermordet haben soll. Nun wurde er freigelassen, denn durch einen DNA-Test hat sich zweifelsfrei herausgestellt, dass ein anderer der Täter war. 15 Jahre lang unschuldig hinter Gittern. Willie O. Williams, 1985 wegen Kidnapping und Vergewaltigung verurteilt, erging es genauso. Zwar hatte ihn damals das Opfer als Täter identifiziert, ein DNA-Test bewies jetzt freilich das Gegenteil - nach 22 Jahren Knast. "Vor 15 Jahren an einer juristischen Hochschule ins Leben gerufen, hat das Innocent Project bisher mittels DNA-Tests die Unschuld von 194 Gefängnis-Insassen nachweisen können, die daraufhin entlassen wurden." [1] Allesamt furchtbare Schicksale.

Rechtsprechung wird von Menschen ausgeübt, und Menschen machen eben Fehler. Das ist bedauerlich, aber selbst bei größter Sorgfalt kaum zu vermeiden. Es wird also in den Gefängnissen wohl immer einige zu Unrecht Verurteilte geben. Darunter solche, bei denen kein DNA-Test nachträglich die Unschuld feststellen kann, etwa weil gar kein DNA-Material vorliegt. Und was ist mit den zum Tode Verurteilten? Wie viele davon wurden bislang unschuldig hingerichtet? Unter den 194 Menschen, die das Innocent Project herausholte, kamen 14 aus dem Todestrakt. "Eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 1992 listet sogar 300 Personen auf, die in diesem Jahrhundert in den USA unschuldig zum Tode verurteilt worden seien. Davon seien immerhin 23 tatsächlich hingerichtet worden, betonen die beiden Autoren der Studie, die Juristen Michael Radelet und Hugo Adam Bedau." [2]

Von moralischen Erwägungen abgesehen sind Justizirrtümer das beste Argument gegen die Todesstrafe. Allein die Gefahr, dass es nicht ausgeschlossen werden kann, einen Unschuldigen zu töten, müsste die Todesstrafe eigentlich zu Fall bringen. Braucht man mehr für ein Plädoyer gegen staatlich praktizierten Mord?

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[1] Frankfurter Rundschau vom 25.01.2007
[2] Wiener Zeitung vom 29.01.1999