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30. März 2009, von Michael Schöfer
Kein Recht gebrochen?


Im Überwachungsskandal bei der Deutschen Bahn AG glänzt Bahnchef Hartmut Mehdorn u.a. durch hartnäckiges Leugnen. Niemand von der Bahn habe etwas Rechtswidriges getan, behauptet er steif und fest. Stimmt das wirklich? An der Darstellung Mehdorns gibt es es berechtigte Zweifel.

Erstens: "Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen", legt § 87 Abs. 1 Ziffer 6 des Betriebsverfassungsgesetzes fest. [1] Technische Einrichtungen, selbst wenn deren Einsatz der Aufklärung von Unregelmäßigkeiten dient, sind daher mitbestimmungspflichtig. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Überwachung fast sämtlicher Bahn-Mitarbeiter lag wohl kaum vor. Falls doch, hätte eine entsprechende Dienstvereinbarung unbedingt die Verhältnismäßigkeit wahren müssen. Dies war offenkundig nicht der Fall. Darüber hinaus ging es bei der Überwachungsaktion Presseberichten zufolge darum, konzerninternen Kritikern auf die Spur zu kommen, die Aufdeckung von Korruptionsfällen sei nur eine vorgeschobene Begründung. Außerdem: Bloße Kritik am Kurs des Bahnkonzerns rechtfertigt keine Überwachung, so weit erstreckt sich die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers nicht, Persönlichkeitsrechte gelten nämlich auch am Arbeitsplatz.

Zweitens: "Eine tarifzuständige Gewerkschaft darf sich an Arbeitnehmer über deren betriebliche E-Mail-Adressen mit Werbung und Informationen wenden. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber den Gebrauch der E-Mail-Adressen zu privaten Zwecken untersagt hat. Die Entscheidung einer Gewerkschaft, Arbeitnehmer auf diesem Weg anzusprechen, ist Teil ihrer durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Betätigungsfreiheit. Soweit dabei Grundrechte des Arbeitgebers berührt werden, sind die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Arbeitgebers und sein von Art. 2 Abs. 1 GG erfasstes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb haben gegenüber der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit zurückzutreten, solange der E-Mail-Versand nicht zu nennenswerten Betriebsablaufstörungen oder spürbaren, der Gewerkschaft zuzurechnenden wirtschaftlichen Belastungen führt. Auf Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer kann sich der Arbeitgeber im Rahmen eines deliktischen Unterlassungsanspruchs gegenüber der Gewerkschaft nicht berufen." [2] Die Bahn durfte deshalb E-Mails der Gewerkschaften weder abfangen noch löschen.

Drittens: "Darf der Mitarbeiter übers Firmenpostfach auch nichtdienstliche Mails senden oder wird dies geduldet, ist sein Postfach für den Arbeitgeber tabu. Unzulässig ist es, wenn der Arbeitgeber schon auf dem Server E-Mails unterdrückt, die vom Arbeitnehmer stammen oder für ihn bestimmt sind. Denn für den Arbeitnehmer, der auch nichtdienstlich mailen darf, gilt das Fernmeldegeheimnis. Ein Eingriff, sei es durch Lesen oder Löschen, ist strafbar (§ 206 Strafgesetzbuch, § 303a Strafgesetzbuch)." [3]

Meiner Ansicht nach hat die Bahn bei der maßlosen Überwachung ihrer Mitarbeiter sehr wohl Recht gebrochen, und das - siehe oben - gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum Vergleich: Einer Verkäuferin wurde vor kurzem wegen der angeblichen Unterschlagung zweier Pfandbons im Wert von 1,30 Euro fristlos gekündigt. Das LArbG Berlin-Brandenburg billigte die Verdachtskündigung, weil es dadurch zu einem irreparablen Vertrauensverlust beim Arbeitgeber gekommen sei. Was muss eigentlich noch passieren, damit die Bundesregierung das Vertrauen in Hartmut Mehdorn verliert?

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[1] Juris.de
[2] Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 8/09, Urteil vom 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08
[3] law blog, Die schwachen Server der Bahn, vom 28.03.2009