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03. Juli 2009, von Michael Schöfer
Warnendes Beispiel Kalifornien?


Kalifornien ist faktisch pleite, Gouverneur Schwarzenegger hat deshalb den Finanznotstand ausgerufen. Gläubiger werden ab sofort mit Schuldscheinen anstatt Geld abgespeist und die Staatsbediensteten in unbezahlten Zwangsurlaub geschickt (drei Tage pro Monat), was einer Gehaltskürzung von rund 14 Prozent gleichkommt. Die Wirtschaftskrise hat den Westküstenstaat besonders hart getroffen: überproportional steigende Arbeitslosigkeit (11,5 Prozent gegenüber 9,5 Prozent im Landesdurchschnitt) und ein drastischer Rückgang der Steuereinnahmen (von 104 auf 76 Mrd. Dollar) haben ein Haushaltsloch in Höhe von 26,3 Mrd. Dollar aufgerissen. Mit dem Finanznotstand will Schwarzenegger das Parlament zwingen, endlich einen Haushalt zu verabschieden, die Abgeordneten konnten sich nämlich bislang nicht auf ein Budget einigen. Die Demokraten fordern neben Einsparungen auch Steuererhöhungen, die Republikaner wollen sich hingegen aufs Sparen beschränken.

In Kalifornien gilt eine Schuldenbremse, ähnlich der, wie sie kürzlich in Deutschland verabschiedet wurde. 2004 haben die kalifornischen Wähler eine Verfassungsänderung gebilligt, mit der der Gesetzgeber verpflichtet wird, jedes Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Schulden im Staatshaushalt sind verboten. [1] Dem Parlament bleiben somit nur zwei Möglichkeiten, um den Haushalt auszugleichen - Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen. Damit beginnt die politische Zwickmühle.

Die Kürzung der Ausgaben dürfte schwierig werden und überdies in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe stoßen. Fast die gesamten Staatsausgaben fließen in vier Bereiche: Schulen und Colleges, Gesundheit und Sozialhilfe, Universitäten sowie Gefängnisse, außerdem sind mehr als zwei Drittel gesetzlich festgelegt, hier besteht also wenig Spielraum. Steuererhöhungen wiederum sind noch unpopulärer als Ausgabenkürzungen (die Steuer- und Abgabenbelastung im "Golden State" ist ohnehin schon höher als im Landesdurchschnitt), außerdem können sie per Volksabstimmung blockiert werden. So haben die Wähler im Mai 2009 die Erhöhungen der Mehrwertsteuer, der Einkommensteuer und der Kraftfahrzeugsteuer abgeschmettert. Der Gesetzgeber hat keine Möglichkeit, derartige Plebiszite zu überstimmen, er ist an sie gebunden. Obendrein kann der Haushalt vom Zwei-Kammer-Parlament nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden, was Einigungen viel komplizierter macht als bei uns.

Die kalifornische Schuldenbremse verhindert jetzt zwar den Aufbau von weiteren Defiziten, gleichwohl ist sie für die prekäre Lage nur bedingt verantwortlich zu machen. Weil die Kalifornier einerseits weder Steuererhöhungen noch Ausgabenkürzungen wollen und andererseits jegliche Schuldenaufnahme ablehnen, gleicht das Ganze einem Gordischen Knoten. Die Selbstfesselung der Institutionen ist enorm. Ohne die deutsche Schuldenbremse zu befürworten [2], so etwas kann hierzulande nicht passieren. Für die Verabschiedung eines Haushalts braucht man in Deutschland weder eine Zwei-Drittel-Mehrheit noch können Volksabstimmungen Steuererhöhungen verhindern. Zudem gestattet das Grundgesetz, in Krisenzeiten Ausnahmen zu machen. Notwendig dazu ist die Kanzlermehrheit (die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags).

Kalifornien ist folglich in puncto Schuldenbremse kein warnendes Beispiel, es zeigt aber, wohin unerfüllbare bzw. sich gegenseitig ausschließende politische Wünsche führen können. "Rund 44 Prozent der Deutschen halten einer ARD-Umfrage zufolge Steuererhöhungen in der nächsten Legislaturperiode für nötig. Eine knappe Mehrheit von 50 Prozent ist hingegen der Meinung, dass Steuererhöhungen in der nächsten Legislaturperiode nicht nötig sind." 56 Prozent bezeichnen die Steuersätze als zu hoch. Allerdings: "Mehr als drei Viertel der Bundesbürger halten das Steuer-Versprechen von Angela Merkel (CDU) für unglaubwürdig. 78 Prozent der Befragten sind der Auffassung, das Versprechen der Kanzlerin, in den nächsten vier Jahren keine Steuererhöhungen vorzunehmen, sei nicht glaubwürdig. Nur 20 Prozent halten dieses für glaubwürdig." [3] Trotzdem kommt Schwarz-Gelb derzeit in Umfragen auf 51 Prozent. So paradox ist Politik.

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[1] siehe Wikipedia, California Proposition 58
[2] siehe Die schwäbische Hausfrau vom 10.02.2009
[3] Rheinische Post vom 03.07.2009