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06. August 2009, von Michael Schöfer
Rufschädigung durch die Medien


Es ist eine Illusion, wenn man glaubt, dass Nachrichtensprecher exzellente Journalisten sind, bloß weil sie ihre Sätze fehlerfrei vom Teleprompter ablesen können. So erntete etwa Sabine Christiansen als Moderatorin der Tagesthemen hervorragende Kritiken, man traute ihr durchaus Höheres zu. Doch als sie eine eigene Talk-Show bekam, wurde schnell ihre journalistische Überforderung sichtbar. Das Gleiche passierte Eva Herman. Die beliebte Tagesschau-Sprecherin warb in ihrem Buch "Das Eva-Prinzip" für anachronistische Familienwerte und entpuppte sich damit als "Frau-zurück-an-den-Herd"-Propagandistin. Der prompt einsetzende Sturm der Entrüstung und Eva Hermans oft unverständliches Rechtfertigungsgestammel machte sie zu einem willkommenen Medien-Opfer.

Am 6. September 2007 sagte Herman am Ende einer Präsentation ihres neuen Buches "Das Arche-Noah-Prinzip" vor Journalisten: "Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen eine Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das, alles, was wir an Werten hatten, – es war ’ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, – aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben…" [1]

Alles klar? Mir jedenfalls nicht. Was genau wollte Herman mit ihrer Anspielung auf den Nationalsozialismus sagen? Keine Ahnung. Das zum Springer-Konzern gehörende "Hamburger Abendblatt" veröffentlichte allerdings, die Autorin habe im Hinblick auf das Dritte Reich gesagt: "Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter." In der Öffentlichkeit wurde dieser Wortlaut als Bejahung der NS-Familienpolitik interpretiert. Und als Eva Herman in der Johannes B. Kerner-Show, daraufhin angesprochen, ebenfalls nur Unzusammenhängendes von sich gab, flog sie kurzerhand aus der laufenden Sendung raus. Ein Eklat. Beim nachfolgenden publizistischen Verriss tat sich die Springer-Presse besonders hervor, in der Bild-Zeitung wurde sie beispielsweise als "dumme Kuh" tituliert.

Man kann zum altmodischen Weltbild Hermans stehen wie man will, aber es sollte im Umgang mit Menschen, ob prominent oder nicht, Grenzen geben. Doch die werden heutzutage gerne überschritten. Zu Unrecht, sagen gelegentlich die Gerichte. Eva Herman hat sich jetzt nämlich in der zweiten Instanz gegen das Hamburger Abendblatt durchgesetzt. Am 28. Juli 2009 fand vor dem Oberlandesgericht Köln der Berufungsprozess in Sachen Eva Herman gegen den Axel-Springer-Verlag statt. Und Herman hat den Prozess gewonnen, der Springer-Verlag muss ihr eine Entschädigung in Höhe von 25.000 Euro zahlen. Viel wichtiger ist jedoch die Urteilsbegründung:

"Die Richter des Oberlandesgerichts gaben heute - wie in der Vorinstanz schon das Landgericht Köln - im Wesentlichen der Fernsehmoderatorin Recht. Das Zitat, das ihr in dem Artikel im 'Hamburger Abendblatt' als eigene Äußerung in den Mund gelegt werde, sei falsch und entspreche nicht den tatsächlichen Äußerungen Hermans während der Pressekonferenz. In Wahrheit habe es sich um eine Interpretation bzw. eine Auslegung der tatsächlich von Herman anlässlich der Pressekonferenz gemachten mehrdeutigen Äußerung gehandelt. Dies hätte in dem Artikel aber deutlich gemacht werden müssen. Die der Fernsehmoderatorin mit dem Falschzitat zugeschriebene Aussage und Einstellung beeinträchtigte sie massiv in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und lasse sie in negativem Licht erscheinen, da die Äußerung letztlich den Unrechtscharakter des NS-Regimes bagatellisiere, indem sie diesen auf ein in jedenfalls Teilen erträgliches, in Wirklichkeit dann doch nicht so schlechtes Maß reduziere. Mit dem Falschzitat werde Frau Herman auch die inhaltliche Billigung der NS-Mutterrolle als Gebärerin arischen Nachwuchses zugeschrieben. Dadurch werde sie in ihrer sozialen Wertgeltung massiv beeinträchtigt und herabgewürdigt, was insofern besonders schwer wiege, als Frau Herman als Nachrichtensprecherin eine hohe Bekanntheit und Vorbildfunktion genoss und besonderen Anforderungen an Seriosität und Neutralität zu genügen hatte. (…) Da die Aussage in hohem Maße geeignet gewesen sei, das öffentliche Ansehen Eva Hermans massiv zu beschädigen, hätten die verantwortlichen Redakteure des Beitrags sich durch einfache und zeitnahe Nachfrage vergewissern können und müssen, ob die Äußerung Hermans tatsächlich so bei der Pressekonferenz gefallen war, zumal dort keine vorbereitete Erklärung verlesen worden sei, sondern freie Redebeiträge gewechselt worden seien. Auch hätte leicht klargestellt werden können, dass es sich um eine Interpretation der Äußerung Hermans gehandelt habe." [2] Immerhin verlor Herman dadurch ihren Job beim NDR.

Bei Google finden sich heute mit den Suchbegriffen "Eva Herman" und "Rausschmiss" ungefähr 16.300 Treffer. Mit den Suchbegriffen "Eva Herman" und "fairer Umgang" sind es hingegen bloß 55, mit den Suchbegriffen "Eva Herman" und "journalistische Ethik" lediglich 45. Ob Letztere angesichts des von Herman gewonnenen Prozesses noch anwachsen, ist abzuwarten. Ich wage die Prognose: Das Urteil wird weniger Aufmerksamkeit finden als der Skandal. Typisch Springer-Presse, könnte man jetzt sagen. Aber das Ganze ist bedauerlicherweise ein generelles Problem der heutigen Medienlandschaft. Zumindest kann man erwarten, dass Interpretationen als solche gekennzeichnet bzw. Zitate im Wortlaut wiedergegeben werden. Journalistische Selbstkritik ist offenbar notwendiger denn je. Nicht nur im Hause Springer.

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[1] Wikipedia, Eva Herman
[2] Oberlandesgericht Köln, Pressemitteilung vom 28.07.2009, PDF-Datei mit 22 kb