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15. September 2013, von Michael Schöfer
Für jeden Wahlausgang gewappnet


Wie in jeder guten (oder auch schlechten) Zeitungsredaktion, und weil man natürlich wichtigere Dinge zu erledigen hat, als am Sonntagabend stundenlang vor der Glotze zu sitzen und dem schier endlosen Gequake von Journalisten und Politikern zuzuhören (deren Stellungnahmen sich ohnehin spätestens nach 10 Minuten wiederholen), nachfolgend meine bereits ausformulierten Schlagzeilen über den Ausgang der bayerischen Landtagswahl. Der Artikel folgt, sobald das Ergebnis feststeht. Da ich selbstverständlich genauso wenig wie die Demoskopen weiß, wie die Wahl ausgehen wird (die Mutter aller Umfragen ist bekanntlich die Wahl), habe ich für sämtliche Eventualitäten vorgesorgt:
Grandioser Wahlsieg für die CSU: Seehofer holt absolute Mehrheit
Markus Söder: Ich bin dann mal weg
(In einer Woche darf ich schreiben: Merkel abgewählt - Anhänger der Union blieben in Erwartung eines Sieges überwiegend zu Hause)

Seehofer gerettet - aber nur mit Hilfe der FDP
Guido Westerwelle als Außenminister des Freistaats im Gespräch
(In einer Woche darf ich schreiben: Die Liberalen scheitern knapp an der 5-Prozent-Hürde, gutes Abschneiden in Bayern hat Zweitstimmenkampagne ins Leere laufen lassen)

CSU erstmals auf die harten Oppositionsbänke verbannt
Im Maximilianeum verteilen Saaldiener Wegweiser an konsternierte CSU-Abgeordnete
(In einer Woche darf ich schreiben: Niederlage in Bayern macht Anhänger der Union mutlos)

Ude triumphiert - als Juniorpartner der Freien Wähler
Koalition hat noch keinen Namen, UN sucht noch nach passender Flagge
(In einer Woche darf ich schreiben: Hubert Aiwanger gibt Gregor Gysi heiße Tipps für Koalitionsverhandlungen)

Ude wird Ministerpräsident von Bayern
Schlechtes Omen: Bei der Entgegennahme der Glückwünsche fällt ihm das "Wort" aus den Händen
(In einer Woche darf ich schreiben: Peer Steinbrück streckt Ronald Pofalla vor laufender Kamera die Zunge heraus - die Redaktion des SZ-Magazins ist entsetzt und fragt: Darf der das?)

Gustl Mollath überraschend zum Regierungschef ernannt
Beate Merk wird wegen Tobsuchtsanfall in Psychiatrie eingewiesen, Gutachter attestieren ihr paranoide Wahnvorstellungen und Gemeingefährlichkeit
(In einer Woche darf ich schreiben: Edward Snowden nach absoluter Mehrheit der Piratenpartei als Chef des Bundesnachrichtendienstes vorgesehen)

Jörg Schönenborn entsetzt: Wie konnten wir nur so danebenliegen?
Thema bei Günther Jauch: Demoskopie in der Krise - wann bekommen wir endlich wieder verlässliche Zahlen?
(In einer Woche darf ich schreiben: Union fordert Gesetzesänderung - künftig sollen Umfragewerte anstatt Wahlergebnisse für die Sitzverteilung maßgebend sein)
Liebe Leserinnen und Leser, wie Sie sehen, bin ich für jeden Wahlausgang gewappnet. Allerdings habe ich die Schlagzeilen "CSU scheitert an Sperrklausel" und "Ude holt absolute Mehrheit" von vornherein als extrem unrealistisch eingestuft, weshalb ich Ihnen nur die oben aufgeführten präsentiere. Ich will ja nicht unseriös wirken. Punkt 18 Uhr sind wir dann alle schlauer, das Hochladen des richtigen Textes wird mir aber bestimmt keine Probleme mehr bereiten, dafür genügt schließlich ein Klick auf die entsprechende Partei, pardon, Datei. Selbstverständlich werde ich laut "Hab' ich es nicht gleich gesagt?" brüllen. Egal wie es ausgeht (an Wahlabenden ist das die bewährte Taktik von Kommentatoren).

Wie bitte, was sagen Sie? Infratest dimap wird mir wegen meiner erstaunlichen Treffsicherheit einen Job in herausragender Stellung anbieten? Das muss ich energisch zurückweisen, alles bloß ein böswilliges Gerücht. Unter uns: In Wahrheit ist es "Der Spiegel", denn die hatten die Schlagzeile "Gustl Mollath überraschend zum Regierungschef ernannt" noch nicht einmal in der Schublade liegen (vom ausformulierten Artikel ganz zu schweigen). Tja, Nikolaus Blome von BILD zu holen hat sich eben nicht ausgezahlt. Don't worry, be happy: Jetzt komm' ja ich.

Nachtrag (15.09.2013, 18:40 Uhr):
Hab' ich es nicht gleich gesagt? "Grandioser Wahlsieg für die CSU: Seehofer holt absolute Mehrheit." Meine erste Schlagzeile! Den Rest vergessen Sie bitte, damit keine Zweifel an meiner Treffsicherheit entstehen.