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06. Juli 2015, von Michael Schöfer
Pyrrhussieg


König Pyrrhos I. von Epirus besiegte 279 v. Chr. in der Schlacht bei Asculum die Römer, aber angesichts der hohen eigenen Verluste soll er gesagt haben: "Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!" Der besagte Pyrrhussieg. Er gewann zwar im Laufe seines mehrjährigen Feldzuges etliche Schlachten, verlor jedoch am Ende den Krieg, weil seine durch die Siege geschwächten Truppen 275 v. Chr. die letzte Schlacht bei Maleventum verloren. Das Wörterbuch Wiktionary erläutert, was unter einem Pyrrhussieg zu verstehen ist: "Ein unter (äußerst) hohem Einsatz und unter (zu großen) Opfern errungener Erfolg, der aufgrund dessen keinen Vorteil mehr darstellt und (mittelfristig) eher einem Fehlschlag/einer Niederlage gleichkommt."

61,31 Prozent der Griechen sagten beim Referendum "Nein" zum Sparkurs der Troika (EU, EZB, IWF). Eine satte Mehrheit für Ministerpräsident Alexis Tsipras. Alle, die auf einen knappen Wahlausgang getippt oder sogar auf ein "Ja" gehofft hatten, stehen nun ziemlich betröppelt da. Das griechische Volk, nicht bloß die linke Regierung, hat offenbar von der sozialen Abwärtsspirale die Nase gestrichen voll. Nun kommt es hauptsächlich darauf an, dass sich beide Seiten kompromissbereit zeigen. Die Betonung liegt auf "beide Seiten". Griechenland muss endlich mit Korruption, Vetternwirtschaft und Schlendrian aufhören. Und die übrigen Mitglieder der Euro-Zone müssen endlich begreifen, dass die Austeritätspolitik gescheitert ist. Nicht an angeblich reformunwilligen Griechen, sondern an der ökonomischen Realität. Man muss einen Schuldner zahlungsfähig halten, sonst kann man die Rückzahlung von Krediten vergessen. Eigentlich eine Binsenweisheit. Eine Binsenweisheit allerdings, die viele zu verdrängen scheinen.

Die Beteiligten sollten aufpassen, dass sie keine Pyrrhussiege erringen. Der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt einen Schuldenschnitt nach wie vor kategorisch ab. Dabei ist evident, dass Griechenland ohne einen solchen einfach nicht mehr auf die Beine kommt. Zuletzt hat das selbst der IWF eingesehen. Schon allein von daher ist es total hirnrissig, der Athener Regierung am Verhandlungstisch etwas zu verwehren, das viele Experten ohnehin für unausweichlich halten. Und noch kurioser wird das Ganze, wenn man zwar einen ausgehandelten Schuldenschnitt in Höhe von vielleicht 50 Prozent ablehnt und Griechenland damit in die Pleite treibt, denn der Staatsbankrott bedeutet ja zunächst nichts anderes als einen faktischen Schuldenschnitt in Höhe von 100 Prozent. Nein zu 50 Prozent, aber Ja zu 100 Prozent? Ist das vernünftig? Natürlich nicht! Die Troika hätte einen veritablen Pyrrhussieg erzielt.

Die griechische Linksregierung wiederum sollte aufpassen, trotz der hohen Zustimmungsrate für ihre Politik den Blick für die Realität nicht zu verlieren. Wenn nicht von irgendwoher unerwartet Geld kommt, etwa vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, wird Tsipras notgedrungen auf die Befindlichkeiten der Geldgeber Rücksicht nehmen müssen. Reformen sind notwendig. Es müssen ja nicht gleich, worauf die Troika bislang bestand, Reformen sein, die die griechische Wirtschaft abwürgen. Das Referendum zu gewinnen, aber anschließend in die Pleite und den Grexit rutschen, käme auch für SYRIZA bloß einem Pyrrhussieg gleich.

Das mittelamerikanische Costa Rica hat 1949 seine Armee kurzerhand abgeschafft und dafür lieber Geld in Bildungs- und Gesundheitsprogramme investiert. Das Land gilt heute als "Schweiz Zentralamerikas" und bietet einen vergleichsweise hohen Lebensstandard (BIP 2013 pro Einwohner: 10.433 US-Dollar, im Nachbarstaat Nicaragua sind es lediglich 1.840 US-Dollar). Man muss zuweilen das Unvorstellbare tun, um den Gordischen Knoten zu zerschlagen. Gegen den Strom schwimmen, kreativ handeln! Warum also nicht die griechische Armee einfach abschaffen? 2014 gab der Ägäis-Staat knapp 5 Mrd. Euro fürs Militär aus, die Auflösung der Armee könnte daher den Staatshaushalt mit einem Schlag sanieren und Geld für wesentlich sinnvollere Investitionen freisetzen. Wäre das nicht ein geradezu brillantes Vorhaben für die linke Regierung? Und die europäischen Partner hätten bestimmt nichts dagegen, denn es soll ja weiterhin gespart werden. Nur ausnahmsweise mal nicht bei den Rentnern.