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20. Februar 2017, von Michael Schöfer
Das darf doch nicht wahr sein!


Die ganze Welt fragt sich, was vergangene Woche Freitagnacht in Schweden passiert ist. Doch das kann man vielleicht noch erklären. Ich frage mich allerdings, was vorgestern in Florida geschah.

Der Reihe nach: US-Präsident Donald Trump sagte bei einem Besuch seiner Anhänger in Florida: "Seht, was in Deutschland passiert, seht, was letzte Nacht in Schweden passiert ist. Schweden, wer hätte das gedacht? Schweden - sie haben ganz viele reingelassen, nun haben sie Probleme, wie sie es nie für möglich gehalten hätten." [1] Das sollte wohl suggerieren, in Schweden habe es Freitagnacht einen Anschlag gegeben, doch von einem Anschlag ist dort nichts bekannt. Der letzte islamistisch motivierte Anschlag fand 2010 in Stockholm statt, als ein irakischstämmiger Selbstmordattentäter zwei Sprengsätze in einer Einkaufsstraße zündete. Zum Glück wurden damals lediglich zwei Menschen verletzt. Der Selbstmordattentäter war schwedischer Staatsbürger und kam mit seinen Eltern 1992 nach Schweden - im Alter von 10 Jahren. Radikalisiert hat er sich offenbar während seines Studiums in Großbritannien. [2]

In den letzten beiden Wochen berichteten jedoch viele Medien über die enorm gestiegene Gewalt im schwedischen Malmö. "Schwedens Chicago", titelte beispielsweise die ARD. [3] "Eine unaufgeklärte Mordserie wirft in Schwedens Großstadt mit dem höchsten Migrantenanteil brisante Fragen auf. Zwölf Morde in den vergangenen zwölf Monaten, kein einziger aufgeklärt. (…) Für das Land insgesamt birgt die Welle unaufgeklärter Morde gewaltigen Zündstoff beim Thema Zuwanderung", schreibt die in puncto Fremdenfeindlichkeit völlig unverdächtige Frankfurter Rundschau. [4] Die 300.000-Einwohner-Stadt habe "eine drei Mal höhere Mordrate als London", kann man auf der Website des Deutschlandfunks lesen. "Die Bandenkriminalität in Malmö hat Hochkonjunktur. (…) Malmö ist die Stadt in Schweden mit dem höchsten Zuwandereranteil. 32 Prozent der Einwohner sind im Ausland geboren, im Stadtteil Rosengard sind es rund 60 Prozent." [5] Und genau dort, in Rosengard, wurde vor kurzem ein 16-Jähriger an einer Bushaltestelle erschossen. Warum, weiß niemand. Offenbar war er bloß zur falschen Zeit am falschen Ort. Viele kritisieren, die Polizei bekomme die Gewalt nicht unter Kontrolle.

Trump rechtfertigt seine Äußerung damit, sie habe sich auf einen Bericht des US-Fernsehsenders Fox News über Einwanderer in Schweden bezogen. Es kann durchaus sein, dass er da irgendetwas verwechselt hat. Obgleich Trump mit der Wahrheit generell auf Kriegsfuß steht, könnte seine Schweden-Äußerung auf einem simplen Irrtum beruhen. Schon allein die Tatsache, dass Trump da etwas durcheinander bringt, ist beunruhigend genug, schließlich sollte er auch in schwierigen Lagen stets den Überblick behalten. Aber was ich ehrlich gesagt noch viel schlimmer finde, ist die Quelle, woher er seine Informationen bezieht. Mein Gott, es handelt sich beim Präsident der Vereinigten Staaten um den mächtigsten Mensch der Welt, dem etliche Geheimdienste zuarbeiten. Doch der Immobilienmogul hat ja schon vor seiner Amtsübernahme klar gemacht, dass er auf die täglichen Lagemitteilungen seiner Geheimdienste keinen Wert legt. "Ich werde sie bekommen, wenn ich sie brauche", hat er dazu lapidar gesagt. [6] Der Mann sitzt am roten Knopf und informiert sich bei Fox News? Das darf doch nicht wahr sein! Welch ein Dilettantismus. Die Geographie-Kenntnisse der Amerikaner sind ja für gewöhnlich nicht die besten, angesichts dessen wäre es zumindest von Vorteil, wenn der Oberbefehlshaber über die Nuklearstreitkräfte im Ernstfall Nordkorea nicht mit Deutschland verwechseln würde. Oder mit Schweden.

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[1] tagesschau.de vom 20.02.2017
[2] Wikipedia, Bombenanschlag in Stockholm 2010
[3] tagesschau.de vom 13.02.2017
[4] Frankfurter Rundschau vom 14.02.2017
[5] Deutschlandfunk vom 07.02.2017
[6] Die Welt-Online vom 12.12.2016