Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



28. August 2017, von Michael Schöfer
Nikolas Löbel ist löblich


Eine Prise Volksnähe kann nie schaden - vor allem, wenn man für den Bundestag kandidiert. Das hat sich auch der Mannheimer Bundestagskandidat Nikolas Löbel (CDU) gesagt: "Ich will den Alltag möglichst vieler Mannheimerinnen und Mannheimer kennenlernen. Dazu mache ich zur Zeit eine Praktikumstour durch zahlreiche Unternehmen und Betriebe", schreibt er auf Facebook. "Dabei schaue ich nicht nur zu, sondern lege für mehrere Stunden selbst Hand an", versichert er auf YouTube. Ehrlich? Gleich für mehrere Stunden? Wer hätte das gedacht! Löblich für Löbel, denn es kann nie schaden, vor dem Einzug in den Bundestag wenigstens ein bisschen Kontakt mit der Realität gehabt zu haben. Schließlich ist der 31-Jährige nach eigenen Angaben schon seit seinem 15. Lebensjahr politisch aktiv. Manche Politiker denken nach so langer Zeit bereits an den verdienten Ruhestand.

Löbel ist zum Glück anders als die anderen. Als er in der Mannheimer McDonald's-Filiale antritt, ist zufällig auch ein Reporter der hiesigen Lokalpresse anwesend. Wirklich rein zufällig, denn "Mannheim24", ein Ableger der Mediengruppe Dr. Haas, zu dem auch der "Mannheimer Morgen" gehört, muss schließlich im Wahlkampf neutral sein. Ist "Mannheim24" bestimmt auch. Die politische Neutralität äußert sich in einer ganzen Fotoserie: Löbel an der McDonald's-Kasse, Löbel beim Burgermachen, Löbel beim Händewaschen, Löbel an der Fritteuse usf. Nur auf die Toilette ist er offenbar ohne den Fotograf von "Mannheim24" gegangen - zumindest findet man davon kein Foto. Und alle Achtung: Trotz der harten Arbeit kann Löbel sogar noch lachen. Die politische Neutralität von "Mannheim24" wird deutlich, wenn man auf deren Website mit "Nikolas Löbel" und mit "Stefan Rebmann" nach Artikeln sucht. Rebmann (SPD) ist Löbels Konkurrent im Wahlkreis 275 (Mannheim). Über den CDU-Nachwuchspolitiker ohne Bundestagsmandat stehen dort immerhin 21 Artikel, über den SPD-Politiker mit Bundestagsmandat ist es lediglich einer. Besser kann das Internetportal seine politische Neutralität nicht unter Beweis stellen. Ist es nicht erschreckend, wie wenig Schlagzeilen manche Bundestagsabgeordnete produzieren?

Ob Nikolas Löbel für sein fotogenes Praktikum bei McDonald's an die notwendige Gesundheitsbescheinigung gedacht hat? "Personen, die gewerbsmäßig beim Herstellen, Behandeln und in Verkehr bringen von nicht verpackten Lebensmitteln tätig sind; Personen, die in Küchen von Gaststätten tätig sind; Personen, die kellnern und dabei die Küche betreten müssen oder zusätzlich in der Küche helfen", brauchen nämlich eine Bescheinigung nach § 43 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Erstbelehrungen dürfen übrigens nur durch das für den Ort des Betriebes zuständige Gesundheitsamt durchgeführt werden. So steht es jedenfalls auf der Website des Hygiene-Netzwerks. [1] Doch daran hat Nikolas Löbel bestimmt gedacht, denn er wird ja wohl kaum seinen Wählern schaden wollen. Selbst CDU-Wähler gehen zu McDonald's. Und wer demnächst im Bundestag über das "Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen" mitentscheiden will, wird auf dem Weg dahin nicht gleich die erste Hygiene-Hürde reißen. Wäre zugegebenermaßen ein ziemlich dummer Anfängerfehler.

Apropos dumm: Wahlkämpfer sind ja mitunter furchtbar peinlich. Wer schreibt ihnen bloß solche Sätze auf? Die Parteizentrale? Der Wahlkampf-Manager? Die Public Relations-Agentur? "Ich war schon als Kind oft bei McDonald's, habe dort auch Kindergeburtstage gefeiert. Es war früher immer mein Traum, einmal dort zu arbeiten und selbst Burger belegen zu dürfen", zitiert ihn "Mannheim24". [2] Tja, mit der Berufswahl als Mitarbeiter bei McDonald's hat es offenbar nicht geklappt, deshalb musste der arme Nikolas notgedrungen Jura und Betriebswirtschaft studieren. Aber er hat seinen Traumjob nie aus den Augen verloren. Wer weiß, wenn es mit dem MdB nicht klappt und die Sehnsucht nach der ultimativen beruflichen Erfüllung überhand nimmt... Hoffentlich reserviert ihm der Mannheimer McDonald's-Chef in der Küche einen Arbeitsplatz. Sicher ist sicher. Dennoch mache ich mir um Löbel keine großen Sorgen, denn wer mit dem ebenso aussagekräftigen wie tiefschürfenden Slogan "Ein Mannheimer für Mannheim" in den Wahlkampf zieht, hat den Wahlkreis schon so gut wie in der Tasche. Konkurrent Rebmann hat den gravierenden Nachteil, im 18 km entfernten Heidelberg geboren zu sein. In einer Zeit, in der unter anderem die Briten wieder unter sich sein wollen, ein nicht zu unterschätzendes Manko.

Den Vorteil der geographisch richtigen Geburt kann Löbel eigentlich nur noch die eigene Partei versauen. Liebe Leserinnen und Leser, Sie kennen ja sicherlich die Steigerung: Feind, Todfeind, Parteifreund… In den Reihen der CDU wird Löbel scharf kritisiert. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Egon Jüttner und Roderich Kiesewetter werfen ihm mangelnde persönliche Eignung für eine Abgeordnetentätigkeit vor. [3] Das ist total ungerecht. Wer wie Löbel im Schweiße seines Angesichts stundenlang einen Burger nach dem anderen produziert, hat seine Eignung für den Deutschen Bundestag ohne die geringsten Zweifel zu hinterlassen nachgewiesen. Egon Jüttner, der Anglistik, Romanistik, Phonetik und Pädagogik studiert hat und in München Professor an der Universität der Bundeswehr war, kann das überhaupt nicht beurteilen. Roderich Kiesewetter hat auch nur eine schnöde Offiziersausbildung bei der Bundeswehr und ein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften vorzuweisen. Haben seine Widersacher, Verzeihung Parteifreunde, jemals eine McDonald's-Küche von innen gesehen? Vermutlich nicht. Reine Theoretiker, alle beide! Da lobe ich mir den Löbel, der dem gemeinen Volk wenigstens stundenweise nah ist. Zumindest bis zum Wahltag.

----------

[1] Hygiene-Netzwerk, Gesundheitsnachweise für Beschäftigte in Lebensmittelbetrieben
[2] Mannheim24 vom 14.07.2017
[3] SWR vom 18.08.2017