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04. Februar 2017, von Michael Schöfer
Bei Le Pen nicht den gleichen Fehler machen


Die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, hat ein Programm mit 144 Wahlversprechen vorgelegt. Und die haben es in sich: Referendum über den Austritt aus der EU, Austritt aus dem reisefreien Schengen-Raum, Abschaffung des Euro und Rückkehr zu einer nationalen Währung, Bevorzugung von Franzosen bei der Besetzung von Arbeitsplätzen sowie bei der Zuweisung von Sozialwohnungen, Sondersteuer auf ausländische Waren und Dienstleistungen, keine Freihandelsabkommen, Beschränkung der Zuwanderung, Null-Toleranz-Politik beim Strafrecht, Schaffung von 40.000 Gefängnisplätzen, massive Verstärkung der Sicherheitskräfte.

Man sollte nicht den gleichen Fehler machen wie bei Donald Trump, sondern diesmal von Anfang an davon ausgehen, dass Le Pen ihre Wahlversprechen auch umsetzen wird, sofern sie die Wahl gewinnt. Es rechnen zwar alle damit, dass sie die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen verliert, aber hat man nicht auch die Niederlage Trumps vorhergesagt? Die Wahlen in Frankreich sind Schicksalswahlen für Europa. Gewinnt wider Erwarten Le Pen, ist die Europäische Union am Ende, dann kann man bloß noch ihre Einzelteile aufsammeln.

Unter Umständen rächen sich jetzt all die Fehler, die in den letzten Jahren gemacht wurden: die törichte Ignoranz der Regierenden, die schamlose Bereicherung der selbsternannten Elite, die Arroganz des Establishments. Warum sollten die Wählerinnen und Wähler in einem von hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Kluft zwischen Arm und Reich geprägten Europa die EU unterstützen? Vielleicht ist es hilfreich mitanzusehen, was Donald Trump in den USA anrichtet. Eine ganz spezielle Art der Abschreckungspolitik. Bis zum 23. April (erster Wahlgang) und 7. Mai (Stichwahl) ist ja noch ein bisschen Zeit. Für Trump allemal genug, um noch mehr Chaos zu stiften.