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03. Januar 2020, von Michael Schöfer
Eine Stange Dynamit


"Man braucht jetzt unbedingt eine Deeskalation im Irak", sagte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) am 2. Januar in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Und man muss neidlos anerkennen, Donald Trump hat den Rat Dagdelens gewissenhaft befolgt: In der Nacht zum 3. Januar hat er im Irak den iranischen General Ghassem Soleimani, Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, töten lassen. Am besten auf den Punkt gebracht hat die nächtliche Militäraktion wohl der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden: Donald Trump habe soeben "eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen". Eine Dynamitstange mit brennender Lunte, wohlgemerkt. Sofern Trump überhaupt je ein durchdachtes Konzept für den Iran hatte, es dürfte sich spätestens jetzt als Makulatur erweisen. Die Eskalationsspirale dreht sich immer schneller.

Das 21. Jahrhundert steht bislang ganz im Zeichen der starken Männer: Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Benjamin Netanjahu und Donald Trump. Alle bereit, militärische Abenteuer einzugehen. Alle aggressiv, autoritär und mit der Wahrheit auf Kriegsfuß. Die eigentliche Frage wird jedoch sein, was sie am Ende für ihr Land gebracht haben. Das können vielleicht die Historiker in 20 oder 30 Jahren beantworten. Ich fürchte, die vermeintlich starken Männer werden bei der Bewertung ihres Handelns nicht besonders gut abschneiden. Wenn man Pyromanen zu befehlshabenden Feuerwehrkommandanten ernennt, braucht man sich anschließend über die zahlreichen Großbrände nicht zu wundern.