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17. Oktober 2019, von Michael Schöfer
Die neuen Umgangsformen


"Seien Sie kein Narr", hat US-Präsident Donald Trump ziemlich undiplomatisch in einem Brief an Recep Tayyip Erdogan appelliert. Ausgerechnet Donald Trump, der sich mit seinen verbalen Ausfällen ständig selbst zum Narren macht. Allerdings kann auch Erdogan schroff werden. Als sich 2017 der damalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel türkische Einmischungen in den Bundestagswahlkampf verbat, blaffte Erdogan zurück: "Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen! Wie lange sind Sie eigentlich in der Politik? Wie alt sind Sie?" Bei Heiko Maas wechselt er nun sogar vom "Sie" zum keineswegs vertraulich gemeinten "Du". Maas habe keine Ahnung von Politik, er sei ein Dilettant, urteilte Erdogan: "Wenn Du etwas von Politik verstehen würdest, würdest Du nicht so sprechen." So gesehen verwundert es kaum, dass Donald Trump die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bei einem Treffen brüsk beleidigt. Später legte er per Twitter nach: "Nancy Pelosi braucht schnell Hilfe! Entweder ist bei ihr 'da oben' etwas falsch, oder sie mag schlicht unser großartiges Land nicht. Sie hatte heute im Weißen Haus einen totalen Ausraster. Es war sehr traurig mit anzusehen. Betet für sie, sie ist eine sehr kranke Person!" Das sind die neuen Umgangsformen zwischen den Politikern, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass es keine Umgangsformen mehr zu geben scheint. Doch das spiegelt bloß die allgemeine Verrohung der Sprache wider. Die meisten Beobachter sind sich darin einig: Hilfe benötigt vor allem Donald Trump. Und offenkundig ist er keineswegs der Einzige. Wohlgemerkt, ich meine damit nicht die Hilfe eines Kommunikationsberaters...