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18. Dezember 1996, von
Michael Schöfer
Alles Lüge...
Wir leben in einer absolut verlogenen Welt, wie aufmerksame
Zuschauer des "Käpt'n Blaubär Club" oder eifrige Leser der
britischen Boulevardpresse jederzeit bestätigen können. Das
führt bei den Konsumenten unweigerlich zu großen
Frustrationen. Oder waren Sie etwa nicht enttäuscht, als
sich herausstellte, daß die Schäferstündchen-Fotos von Lady
Di mit Hilfe eines Fotomodells gefälscht waren? Und wer
garantiert, daß die Mondflüge wirklich stattgefunden haben
und nicht in den Studios von Steven Spielberg ("E.T.")
nachgestellt wurden? Keiner. Die Erde als Scheibe?
Bitteschön, null Problemo, dazu bedarf es heutzutage nur
noch ein paar simpler Tricks am Computer. Die Menschen
vertrauen erfahrungsgemäß ausschließlich dem, was sie sehen.
Vergleichen Sie selbst, schauen Sie einfach aus dem Fenster:
Ist die Erde nun rund oder flach? ... Na, sehen Sie.
Professionellen Manipulateuren ist dies natürlich längst
bekannt.
Gegenwärtig sind bedauerlicherweise nur wenige imstande, die
medialen Lügengespinste in ihrer ganzen Bandbreite zu
durchschauen (Günther Jauch [Stern-TV] gehört zweifellos
nicht dazu). Zum Glück konnten wir für die vorliegende
Ausgabe den - Insidern zufolge - renommiertesten
"Lügenexperten" gewinnen, der seine Identität allerdings
einer breiteren Öffentlichkeit aus leicht verständlichen
Gründen nicht preisgeben möchte (der BND ist immer und
überall). Obwohl anonyme Artikel in der LIANE normalerweise
nicht veröffentlicht werden, machen wir wegen der
herausragenden politischen Bedeutung dennoch eine Ausnahme
und geben nachfolgend seinen Kurzbericht über die
wichtigsten Medienlügen des zurückliegenden Quartals wieder:
- Es ist gelogen, daß Vera
Wollenberger von den Bündnisgrünen zur CDU gewechselt ist,
weil sie so gerne Blockflöte spielt. Wahr ist vielmehr,
seit ihrer Scheidung heißt sie Lengsfeld. Und da ihr
CDU-Generalsekretär Peter Hintze das Tragen von roten
Socken kategorisch untersagt hat, ist sie dazu aufgrund
einer hartnäckigen Erkältung auch überhaupt nicht in der
Lage.
- Unwahr ist weiterhin, daß
Staatsminister Bernd Schmidbauer (CDU) von der
kolumbianischen Filmwirtschaft dieses Jahr für seine
"Sendung mit der Mauss" den Oscar erhält. Oscars werden
nach wie vor in Hollywood vergeben. Im übrigen wurde er
für seine Rolle in der erfolgreichen Seifenoper
"Blindenstraße" nominiert. Ob er für weitere 256
skandalöse Folgen zur Verfügung steht, wollte Schmidbauer
auf Anfrage weder dementieren noch bestätigen.
- Die Meldung, der neue
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hätte seine Amtszeit als
Anhänger des Rotationsgedankens freiwillig auf zwei
Wahlperioden begrenzt, ist eine üble Zeitungsente. Sein
Amt wird nämlich bei weiter fortschreitender
Arbeitslosigkeit in Ermangelung von Arbeitnehmern einfach
abgeschafft. Der DGB zeigt sich - wie immer -
kompromißbereit.
- Berichte eines gewissen
Homer, Moskau-Korrespondent von CNN, wonach Helmut Kohl
bei seinem letzten Besuch eine riesige (in Wahrheit jedoch
mit Wodka gefüllte) Mineralwasserflasche vor den
Kremlmauern zurückließ, um mit dieser heimtückischen List
den russischen Präsidenten Jelzin zur Herausgabe des im
II. Weltkrieg geraubten deutschen Kulturgutes - darunter
der Schatz des Priamos - zu verleiten, entbehren jeder
Grundlage. Richtig ist: Der Kreml war verwaist und Jelzin
zur Entgiftung in Sotschi. Die Flasche konnte Alexander
Lebed ergattern, der damit jetzt schon seinen Sieg bei den
nächsten Präsidentschaftswahlen begoß. Übrigens: Troja
soll nach bislang unbestätigten Meldungen nach wie vor in
der Türkei liegen. Eine große Lüge, wie wir wissen, denn
andernfalls würde der Schatz des Priamos ja gar nicht zum
geraubten deutschen Kulturgut gehören.
- Daß die Festnahme einer
PDS-Bundestagsabgeordneten in Australien wegen
Haschischbesitzes zur Diskreditierung des
schleswig-holsteinischen Apothekenmodells insgeheim mit
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU)
abgesprochen war, beruht auf einem journalistischen
Mißverständnis. Getroffen werden sollte damit die AOK, die
die unter diesen Umständen von vornherein mißlungene
Entziehungskur bei den "Fliegenden Ärzten" in Coopers
Crossing/New South Wales bezahlt hat.
- Böswilligen Gerüchten zufolge
sollen die beeindruckenden diplomatischen Fähigkeiten von
Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) dem ausgiebigen
Studium von "Fürst von Metternich" zu verdanken sein. Wie
der Kanzler, der allen Kabinettskollegen gerne mit seinem
Sachverstand zur Seite steht, erst kürzlich erneut
betonte, war Kinkel niemals Mitglied der Anonymen
Alkoholiker. Die Abkürzung "AA" auf Kinkels Visitenkarte
stehe für "Auswärtiges Amt".
Wir
wollen Ihr Nervenkostüm keinesfalls weiter strapazieren, denn
die Wahrheit zu verdauen, ist für viele zugegebenermaßen nicht
ganz einfach. Dennoch gilt es, der Realität mutig ins Auge zu
blicken. Trotz aller medialen Enttäuschungen hoffen wir, daß
Sie zumindest in die LIANE weiterhin größtes Vertrauen haben.
Sie werden in dieser Stadt (mit Ausnahme vom Mannheimer
Monopolblatt) kaum ein anderes finden, das Sie ehrlicher
informiert als wir.
Für die Redaktion:
Michael Schöfer
PS: Es ist eine Lüge, daß ich wegen dieses Artikels vom
Chefredakteur fristlos gefeuert wurde.
(Zur
Erläuterung: Die LIANE ist die Kreisverbandszeitung von
Bündnis 90/Die Grünen - KV Mannheim)
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