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19. August 1999, von Michael Schöfer
Diskussion um Ladenschlußgesetz grotesk


Die Diskussion um das Ladenschlußgesetz wird seit Jahren von Vertretern des Wirtschaftsliberalismus dominiert, die tatsächliche Entwicklung des Einzelhandels widerspricht jedoch eindeutig ihren vollmundigen Behauptungen. So wurde uns vor noch nicht allzu langer Zeit die vorläufig letzte Änderung des Ladenschlußgesetzes (01.11.1996) mit einer prognostizierten Umsatzsteigerung von 20 Mrd. DM bzw. einem Anstieg der Beschäftigtenzahlen um rund 50.000 schmackhaft gemacht (Studie des Ifo-Institutes). Was ist davon eingetreten? Nichts. Trotz erfolgter Liberalisierung stagnieren die (realen) Umsätze des Einzelhandels, die Beschäftigtenzahlen sind seitdem sogar gesunken.

Für mich ist es völlig unverständlich, wie leichtfertig grundlegende Erkenntnisse der Volkswirtschaft ignoriert werden, nur weil sie nicht mit der eigenen Wirtschaftsideologie übereinstimmen. Kunden können nur das Geld ausgeben, das sie haben. Eine ökonomische Binsenweisheit. Die Liberalisierung des Ladenschlußgesetzes hat zwar das zeitliche Einkaufsverhalten verändert, aber keineswegs die zur Verfügung stehende Kaufkraft. Was sich freilich damit einhergehend drastisch verändert, ist die Struktur des Einzelhandels. Kleine Geschäfte müssen aufgrund mangelnder Flexibilität zwangsläufig vor den Kaufhausketten kapitulieren. Ob das den Kunden langfristig dient, ist äußerst zweifelhaft. Eine forcierte Liberalisierung ändert daran nichts. Im Gegenteil, sie würde diesen negativen Trend eher verstärken.

Wunschdenken kann, wie wir gerade beim Ladenschlußgesetz sehen, keine an ökonomischen Fakten ausgerichtete Wirtschaftspolitik ersetzen. Zudem ist es außerordentlich naiv zu glauben, der sonntägliche Käuferandrang, etwa beim Kaufhof in Berlin (Alexanderplatz), würde das künftige Konsumentenverhalten widerspiegeln. Mit solchen Milchmädchenrechnungen treten vor allem die großen Konzerne (hier: Metro) an die Öffentlichkeit, denn diese versprechen sich durch eine Abschaffung sämtlicher Einkaufsbeschränkungen immense Vorteile im anschließenden Verdrängungswettbewerb. Es geht ihnen also in Wahrheit gar nicht um die Interessen der Kunden.

Es gibt deshalb überhaupt keinen Grund an der bestehenden Ladenschlußregelung zu rütteln. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Politik, die sich entschieden für eine Stärkung der Massenkaufkraft einsetzt.