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15. Februar 1997, von Michael Schöfer
Das grüne Ökosteuer-Konzept


Fünf Mark pro Liter Benzin sieht das grüne Ökosteuer-Konzept vor, für jeden Autofahrer auf den ersten Blick zweifelsohne ein Horrorszenario. Die reformunfähige Regierungskoalition - die SPD schwankt noch zwischen Pro (Lafontaine) und Contra (Schröder) - hat diesen vermeintlichen Großangriff auf des Deutschen liebstes Kind längst als willkommene Wahlkampfmunition entdeckt. Um Details kümmert sie sich dabei freilich nicht. Näher betrachtet könnte sich nämlich das Ökosteuer-Konzept als akzeptabler Beitrag zur Umwelt- und Arbeitsmarktpolitik erweisen und verlöre damit jeglichen Wahlkampfwert. Und Diffamierungen gehen gewiß leichter von der Hand als eine ernsthafte Diskussion über den besten Weg aus der Treibhausfalle, aber damit ist uns (und der Umwelt) natürlich nicht gedient. Leider fällt es äußerst schwer, sich gegen dieses Konglomerat aus intellektueller Genügsamkeit und Verbreitung von Halbwahrheiten zu wehren. Deshalb soll an dieser Stelle das grüne Ökosteuer-Konzept in aller gebotenen Kürze und Klarheit dargestellt werden.

Grundlage unseres Konzepts ist die Einführung einer Energiesteuer, die sich zu je 50 % am Energiegehalt und den CO2-Emissionen orientiert (bei Kernenergie wird ein Gefährdungszuschlag erhoben). Die gemischte Bemessungsgrundlage soll vergleichsweise umweltfreundliche fossile Energieträger wie Erdgas geringer belasten als die besonders schädlichen Energieträger Kohle und Atomenergie (bei der Erzeugung einer Steinkohleeinheit, die beim Verbrennen einer Tonne Steinkohle freiwerdende Energie, entstehen mit Kohle 2,20 t CO2, bei Öl 1,82 t und bei Gas 1,35 t). Der Eingangssteuersatz beträgt im Durchschnitt 1,30 DM je Gigajoule (Gj), danach folgt pro Jahr eine siebenprozentige Steigerung auf den Grundpreis (mit einem Gigajoule Energie könnte eine 100-Watt-Glühbirne 2770 Stunden = 115 Tage lang brennen). Konkret bedeutet das im Jahr 2005 einen durchschnittlichen Steuersatz von 9,94 DM/Gj, das Steueraufkommen steigt somit im ersten Jahr (Basisjahr 1996) von 18,3 Mrd. DM auf 111,1 Mrd. im Jahr 2005.

Im Verkehrsbereich ist im ersten Jahr eine Mineralölpreiserhöhung von 50 Pfennig pro Liter vorgesehen, die in den folgenden Jahren um jeweils 30 Pfennig pro Liter ansteigen soll. Die Erhöhung summiert sich folglich im Jahr 2005 auf insgesamt 3,20 DM pro Liter, der Literpreis würde dann ungefähr 4,70 DM betragen (Bezugsjahr 1995). Zudem soll die verwaltungsaufwendige Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umgelegt werden, was letztere pro Liter um ca. 23 Pfennig erhöht. Als flankierende Maßnahmen werden die Abschaffung der Steuerbefreiung auf Flugbenzin und eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe ins Auge gefaßt.

Damit soll bei der Industrie und beim Verbraucher ökologisch schädliches Verhalten finanziell bestraft werden, frei nach dem Motto: Wer viel fährt, bezahlt auch viel. Gleichzeitig wird ein Investitionsanreiz erzeugt, der energiesparende Techniken und die Verwendung regenerativer Energiequellen fördert. So rechnen wir z.B. damit, daß sich der Treibstoffverbrauch im Verkehr in den nächsten 10 bis 15 Jahren halbiert, was den oberflächlich betrachtet stattlichen Literpreis von annähernd 5 Mark beträchtlich relativiert. Autofahren wäre dann ohne jegliche Änderung des Verhaltens zwar immer noch teurer als jetzt, aber längst nicht in den von interessierter Seite unterstellten Größenordnungen. Ziel der Ökosteuer ist nicht das Abkassieren zur Erhöhung der Staatseinnahmen, sondern die merkliche Verminderung der CO2-Emissionen. Wir erwarten durch unser Konzept bis zum Jahr 2005 eine Reduktion um 25 %. Ein Vorhaben, das die Bundesregierung zwar 1990 beschlossen hat, gleichwohl mit ihrer gegenwärtigen Politik allen Prognosen zufolge deutlich verfehlt.

Ein zentraler Punkt des Ökosteuer-Konzepts bleibt meist unberücksichtigt: Es wird nämlich nicht nur genommen, sondern auch gegeben. Ein Teil des zusätzlichen Steueraufkommens soll für ökologische Investitionsprogramme verwendet werden, die sich (z.B. bei der Wärmedämmung von Altbauten) verhältnismäßig rasch amortisieren und dringend notwendige, nicht ins Ausland zu verlagernde Arbeitsplätze schaffen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet nach Einführung der Ökosteuer für die folgenden 10 Jahre mit immerhin 500.000 neuen Stellen. Aber der weitaus größte Anteil des Aufkommens wird durch eine Senkung anderer Abgaben zurückgegeben, was Verbraucher und Unternehmen, insbesondere im mittelständischen Bereich, spürbar entlastet. Die Beiträge zur Sozialversicherung sollen fühlbar gesenkt und durch erhöhte Bundeszuschüsse (aus dem Ökosteueraufkommen) finanziert werden, die Beitragssätze könnten damit nach 10 Jahren um etwa 6 Prozent niedriger ausfallen als heute.

Mit anderen Worten: Die Nettogehälter steigen ebenso wie die Energiepreise. Ein sozialer Ausgleich für Erwerbslose ist hierbei inbegriffen. Jeder einzelne kann dann selbst entscheiden, ob er durch umweltgerechtes Verhalten per Saldo mehr oder weniger in der Tasche hat als zuvor. Der Grundsatz lautet: Der Faktor Arbeit soll entlastet, Energieverbrauch hingegen belastet werden. Auch wenn man über einzelne Maßnahmen, etwa über Ausnahmeregelungen für besonders energieintensive Branchen (z.B. Chemie), durchaus streiten kann, bewerte ich das Ökosteuer-Konzept alles in allem als vernünftig, praktikabel und ökologisch wirksam. Und es ist wert, differenziert diskutiert zu werden.