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12. Januar 1998, von Michael Schöfer
Vom "Trabi" lernen heißt siegen lernen


Der Sozialismus hat also doch gesiegt, das hätten Sie nicht gedacht, oder? Sieben Jahre nach der Wiedervereinigung stellt sich nun plötzlich die Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft heraus - und zwar beim "Elchtest". Denn der bereits 1957 (!) in Serie gegangene "Trabi" hat - wie erst kürzlich zweifelsfrei bewiesen wurde - das als "Elchtest" bezeichnete Ausweichmanöver bei einem Tempo von bis zu 75 Stundenkilometern bravourös bestanden. Das Proletariat ist der kapitalistischen (A-)Klasse somit eindeutig überlegen (die kippt nämlich schon bei 60 km/h um). Irgendwie habe ich das schon immer gewußt, freilich hat mir das niemand glauben wollen. Da hätten die von Mercedes mal besser unseren "Schumi" als Testfahrer engagiert, denn der ist bekanntlich darauf spezialisiert, Hindernisse (Hills, Villeneuves oder eben auch Elche) von der Fahrbahn zu rammen, anstatt sie zu umfahren. Und bei Crash-Tests soll der kleinste Mercedes ja mit Auszeichnung abgeschnitten haben. Aber "Schumi" war ihnen wohl zu teuer. Selbst schuld, kann man da nur sagen.

Und hätten Sie, sehr verehrte LeserInnen, in der Vergangenheit das ursprünglich 4750 DDR-Mark billige Ost-Vehikel erstanden, statt beharrlich die sündhaft teuren Luxuskarossen mit dem Stern auf der Kühlerhaube zu bevorzugen, wäre das für Ihre Haushaltskasse und - wie wir jetzt alle wissen - Sicherheit bei Ausweichmanövern wesentlich vorteilhafter gewesen. Das haben Sie nun davon. Möglicherweise wäre die DDR dann sogar als Auto-Export-Nation Nr. 1 in die Geschichte eingegangen und uns die negativen ökonomischen Folgen der Wiedervereinigung vielleicht gänzlich erspart geblieben.

Apropos DDR: Vor gar nicht allzu langer Zeit bekam man von einschlägiger Seite ununterbrochen vorgehalten: "Geh doch nach drüben!" Das ist seit 1990 zum Glück mangels "Drüben" anders. Jetzt darf man endlich Kritik äußern, ohne zugleich an Auswanderung denken zu müssen. Seltsamerweise sagen heute manche der vormals schärfsten DDR-Kritiker, man möge doch angesichts der Wiedervereinigungskosten die Mauer schnellstens wiederherrichten, und zwar am besten doppelt so hoch. Solchen Aussagen liegt sicherlich der aufrichtige Wunsch nach posthumer Anerkennung der DDR-Staatsangehörigkeit zugrunde. Das hätte man wahrlich viel früher und wesentlich billiger haben können. Honecker hätte zu jener Zeit sogar bestimmt noch etwas draufgelegt. Letztlich wäre diese Lösung ein Bombengeschäft für uns gewesen. Wir hätten uns damit alles Unangenehme (den Soli oder etwa den Kanzler der Einheit) vom Hals gehalten. Richtig paradiesisch wäre das dann geworden.

Was schließen wir nun daraus? Erstens: Trabi-Hersteller "Sachsenring" ist der wahre Konstrukteursweltmeister. Zweitens: Villeneuve muß in der nächsten Saison auf dem Helm ein Elchgeweih anbringen. So kann "Schumi" im Falle eines erneuten Crashs unschuldig behaupten, er habe bloß den "Elchtest" machen wollen. Und drittens: Die Bundesregierung probiert ihn erst gar nicht, denn sie fährt unser Land - politisch und ökonomisch betrachtet - lieber an die Wand (bitte nicht verwechseln mit Erichs Mauer).

PS: Die A-Klasse soll neuerdings mit Hilfe von "ESP" kippsicher geworden sein. Helmut Kohl, der unbestätigten Meldungen zufolge pausenlos nach einem Geheimrezept für die nächsten Bundestagswahlen sucht, hat sich beim Mercedes-Vorstand sogleich danach erkundigt. Wie ihm CDU-Generalsekretär Hintze jedoch unverzüglich klarmachte, ist "ESP" kein adäquater Ersatz für das Geheimrezept von 1994 ("PDS"). Da müsse letztlich auch "Schumi" kapitulieren, denn zwischen roten Rennern und roten Socken bestehe ein winziger, aber (wahl)entscheidender Unterschied. "Mich knutscht ein Elch", soll Kohl daraufhin erwidert haben. "Elchtests" gibt es offenbar in allen erdenklichen Variationen.