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14. März 1999, von Michael Schöfer
Stopp des Parkraumkonzepts beweist: Andere Verkehrspolitik nur mit uns!


Mit Verwunderung, ja Bestürzung haben die GRÜNEN die Meldung zur Kenntnis genommen, daß der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim, Gerhard Widder, die Parkraumbewirtschaftung für die Oststadt gestoppt hat. Diese Entscheidung ist für die weitere Entwicklung dieses Stadtteils verheerend und sicherlich nur auf die bevorstehenden Wahlkämpfe (OB-Wahl, Gemeinderatswahl), weniger auf sachliche Gesichtspunkte zurückzuführen. Damit wird jedoch der eigentliche Sinn der Parkraumbewirtschaftung, den Anwohnern mehr Parkplatzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und die extrem hohe Verkehrsbelastung zu merklich reduzieren, ad absurdum geführt.

Die Kfz-Dichte in Mannheim ist in der Oststadt/Schwetzingerstadt am höchsten, das haben Untersuchungen des Stadtplanungsamtes eindeutig belegt. Hinsichtlich der Fahrzeugbelastung rangiert dieser Stadtteil also noch vor der Innenstadt. Grund für die hohe Quote ist das ungünstige Verhältnis von Einwohnern mit Pkw und dem zur Verfügung stehenden Straßenraum bzw. die hohe Zahl der Berufspendler. Da man den Einwohnern schlecht den Umzug oder den Verkauf ihres Fahrzeuges nahelegen konnte, war die wünschenswerte Beseitigung dieses Mißstands allein über eine Reduzierung des Pendlerdrucks zu erreichen. Das gesamte Parkraumkonzept wurde demzufolge als Unterstützung für die Anwohner konzipiert.

Wer in Mannheim, etwa wegen der hohen Verkehrsdichte, nicht leben will, sollte die Einwohner wenigstens nicht zusätzlich durch motorisierten Individualverkehr belasten. Die Durchfahrenden (rund die Hälfte der fast 17.000 Pendler kommt von außerhalb) müßten hierfür zumindest Verständnis aufbringen. Geringere Verkehrsbelastung bedeutet schließlich für die hier Wohnenden mehr Lebensqualität (auf die die Pendler wiederum - wenigstens an ihren eigenen Wohnorten - so großen Wert legen). Und wenn von den restlichen 50 Prozent (aus anderen Stadtteilen Mannheims, den sogenannten Binnenpendlern) ein Großteil die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, führt das natürlich zu einer deutlichen Entspannung der Parkplatzsituation. Für die Binnenpendler ist die Nutzung des ÖPNV ohne größere Einschränkungen möglich und - ich schreibe das mit Bedacht - auch zumutbar.

In der Vergangenheit wurde das im Bezirksbeirat Oststadt/Schwetzingerstadt über alle Parteigrenzen hinweg mitgetragen, auch von der hiesigen CDU. In einem Flugblatt des CDU-Ortsverbands vom Mai 1994 hieß es: "Oststadt und Schwetzingerstadt dürfen nicht zum Großparkplatz Mannheims verkommen. Deshalb keine weitere Zweckentfremdung von Wohnraum für Büroflächen, damit zusätzliche Pendlerströme vermieden werden und der Wohncharakter der Stadtteile erhalten bleibt. (...) Kurzzeit- und Anwohnerparkplätze sind in der gesamten Oststadt/Schwetzingerstadt auszuweisen." CDU-Bezirksbeirat Klaus Fritz prägte in diesem Zusammenhang gar den Begriff "Inter-City", Synonym für die krakenhafte Ausbreitung einer Versicherungsgesellschaft. Und ein Antrag der CDU-Gemeinderatsfraktion vom 14. Januar 1997 fordert von der Stadtverwaltung: "Das im Maximalkonzept vorgesehene kostenpflichtige Langzeitparken für Pendler möglichst bald umzusetzen." Ein Standpunkt, der von uns GRÜNEN schon lange vertreten wurde. Daß sich die CDU dem damals anschloß, war ebenso überraschend wie erfreulich.

Nun, im Kommunalwahljahr 1999, ist plötzlich alles ganz anders. Jetzt, da man sich für die OB- und Gemeinderatswahl zu positionieren trachtet, gerät man seitens der CDU allzu leicht aufs populistische Gleis. Nun wird im Verbund mit den eigentlichen Verursachern (den Pendlern) gegen die Nutznießer (die Einwohner des Stadtteils) Front gemacht. Wie beim neuen Staatsbürgerrecht werden bewußt Emotionen geschürt, positive Erfahrungen mit dem Parkraumkonzept geflissentlich ignoriert. Gegenüber der Verwaltung abgegebene Äußerungen, die Parkraumbewirtschaftung zu befürworten, werden mittlerweile bestritten. Das Ziel ist klar: Schlagzeilen in der Presse und Irreführung der Wähler. Es soll der Eindruck entstehen, man sei schon immer dagegen gewesen. Heuchelei nennt man das im allgemeinen. Im Gebiet der ehemaligen DDR prägte man hierfür einen anderen, treffenderen Begriff: Wendehals.

So lud die CDU kürzlich zum Thema "Parkraumbewirtschaftung in Oststadt und Schwetzingerstadt" zu einer Podiumsdiskussion ein - ausgerechnet in die Kantine der früher heftig gescholtenen Inter-Versicherung. Wahrscheinlich hatte die CDU dort mit ihrer taufrisch revidierten Meinung ein grandioses Heimspiel. Und um den Heimsieg von vornherein sicherzustellen, hat man eine gegnerische Mannschaft (etwa uns GRÜNE) erst gar nicht eingeladen. Podiumsdiskussionen zeichnen sich aber üblicherweise gerade dadurch aus, daß Vertreter gegensätzlicher Richtungen aufeinandertreffen und dort ihren jeweiligen Standpunkt darlegen. Wir hätten unseren gewiß tapfer verteidigt, aber Meinungsvielfalt wurde an diesem Tag mit Absicht vermieden. Viel zu diskutieren gab es wohl bei dieser seltsamen Podiumsdiskussion nicht.

Doch es kam noch schlimmer: Die SPD ging diesem Wahlkampfmanöver, wie man an der Reaktion von Gerhard Widder ablesen kann, leichtfertig auf den Leim. Es verwundert schon, wenn der amtierende Oberbürgermeister, und der, der es noch werden will (CDU-Kandidat Sven-Joachim Otto), gewissermaßen im Gleichschritt die Interessen der Einwohner hintanstellen und lieber den lautstarken Protesten der auswärtigen Berufspendler nachgeben. Der Schaden, den sie hierdurch verursachen, ist noch gar nicht abzusehen. In der Verkehrspolitik wird Mannheim damit weit hinter die unverzichtbaren Anforderungen an eine moderne Stadt zurückgeworfen. Diesbezüglich droht gar, wie die Exhumierung der Pläne zum Bau einer Rheinbrücke bei Altrip beweist, der Rückfall in die siebziger Jahre. Die Betonkopfkoalition von SPD und CDU funktioniert also nach wie vor.

Offenkundig sind der Oberbürgermeister und die SPD schwer angeschlagen und in hohem Maße verunsichert. Der im Hinblick auf die OB- und die Gemeinderatswahl nach außen hin propagierte Optimismus ist bereits zu Beginn des Wahlkampfes geplatzt wie eine Seifenblase. Professionell und souverän war das Handeln des Amtsinhabers nicht. Wenn man sich durch den als "zweite Wahl" und "politischen Lehrling" bezeichneten CDU-Herausforderer derart aus dem Gleis werfen läßt, kann der eigenen Politik kein allzu großes Selbstvertrauen zugrunde liegen. Die Parkraumbewirtschaftung wurde in den politischen Gremien über Jahre hinweg intensiv diskutiert und nach reiflicher Überlegung in der vorliegenden Form vom Gemeinderat beschlossen. Daß sie nun in der Oststadt mit einem Federstrich gestoppt wurde, zeigt den eklatanten Mangel an Konsequenz und offenbart die tief sitzenden Ängste von Gerhard Widder. Seine Wiederwahl ist nämlich unsicherer denn je. 16 Jahre ist er jetzt im Amt, und der Mannheimer CDU-Wahlkampfmanager braucht bloß die SPD-Plakate der letzten Bundestagswahl mit dem durchaus zutreffenden Satz: "16 Jahre sind genug" hervorzuholen. Denn was bei Helmut Kohl richtig war, kann bei Widder schließlich nicht falsch sein.

Und das Ganze zeigt noch etwas: Eine andere, anwohnerorientierte Verkehrspolitik ist nur mit uns GRÜNEN zu machen. Wer dem grenzenlosen Autowahn die Stirn bieten will, kann bei der OB-Wahl eigentlich nur den Kandidaten der GRÜNEN, Günter Urbanczyk, wählen. Und damit sich die verkehrspolitischen Sünden der Vergangenheit nicht wiederholen, muß unsere Gemeinderatsfraktion gestärkt aus den Gemeinderatswahlen hervorgehen.