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20. Mai 2005, von Michael Schöfer
Anti-Raucher-Politik völlig falsch


Raucher sind - verzeihen Sie - ziemlich dumm. Das kann ihnen einer versichern, der vor genau zwei Jahren ebenfalls noch Raucher war. Leider ist die Regierung viel dümmer, denn sie hat die Preise für den Tabak kräftig erhöht. Jeweils 1,2 Cent pro Glimmstengel im März und Dezember 2004, und am 1. September 2005 soll noch einmal der gleiche Betrag draufgeschlagen werden. Soll. Sicher ist das nämlich nicht. Oder sagen wir nicht mehr. Denn Hans Eichel hat sich mächtig verkalkuliert. Anstatt wie erhofft mit Hilfe der Tabaksteuer seinen klammen Haushalt besser über die Runden zu bringen, haben ihm die Raucher was geblasen. Und zwar alles, bloß keinen blauen Dunst. Von 2003 auf 2004 sind die Einnahmen bei der Tabaksteuer um 7,3 Prozent zurückgegangen (Frankfurter Rundschau vom 18.05.2005). In Eichels Haushalt klafft demzufolge ein enormes Loch. Nun, wenigstens das ist er gewohnt.

Wenn die da oben gute Kaufleute wären, würden sie wissen, daß Tabakwaren keine Premium-Artikel sind. Tabakwaren sind Massenprodukte. VW Käfer, keine Mercedes. Mit anderen Worten: Hier kalkuliert man mit großen Mengen und kleinen Gewinnmargen. Die Masse macht's - eine uralte Kaufmannsweisheit. Erwirtschafte bei einem Produkt lediglich einen Cent Gewinn. Wenn Du von dem Produkt 100 Mio. absetzt, bist Du Millionär. Um das Unglück komplett zu machen, hat Verbraucherschutzministerin Renate Künast auch noch die Inhaltsstoffe von Zigaretten veröffentlicht. Jetzt wissen wir endlich, daß darin beispielsweise 1,2-Propylenglykol, Invertzucker, Kakao, Lakritzextrakt und Glycerin enthalten sind. Das wird zahlreiche weitere Raucher vom fraglos gesundheitsschädlichen, fiskalisch allerdings außerordentlich lukrativen Weg des Lasters abbringen. Ob Künast ihre Initiative mit dem Bundesfinanzminister abgesprochen hat? Sie schützt zwar den Verbraucher, doch wer schützt Eichel? Demnächst vermiest sie uns auch noch das Saufen. So weit kommt's, Sie werden es erleben.

Man soll nicht nur motzen, sondern konstruktive Vorschläge machen. Bitteschön: Ich würde die Tabaksteuer drastisch senken, und zwar so stark, daß Raucher für die Automatenpackung anstatt 4 Euro nur noch 50 Cent investieren müßten. Das hätte einen immensen Schub beim Rauchen zur Folge. Bestimmt. Endlich wieder Wirtschaftswachstum, endlich wieder Binnennachfrage. Jeder, der sich in den letzten 20 Jahren krampfhaft das Rauchen abgewöhnt hat, käme erneut in Versuchung. Die Folgen wären äußerst segensreich: Hans Eichel könnte - die Masse macht's (siehe oben) - mit beachtlichen Steuermehreinnahmen rechnen und Gerhard Schröder endlich mit grandiosen Wachstumsraten glänzen.

Außerdem würden die Leute wesentlich früher sterben. Das könnte die Anhebung des Rentenalters überflüssig machen (sowieso eine verdammt unpopuläre Maßnahme) und die Rentenkasse nach und nach - je nach Steigerung der Mortalitätsrate - sanieren. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Okay, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ziert sich womöglich. Doch das ist kein Problem, deren Image ist eh schon ramponiert, schlechter geht's gar nicht. Eine kleine Kabinettsreform hier, eine kleine Kabinettsreform da - und schon könnte der Kanzler ohne schlechtes Gewissen in aller Öffentlichkeit dicke Havannas paffen. Auf Ludwig Erhards Spuren sozusagen. Da hätte selbst Angela Merkel nichts dagegen einzuwenden. Aber auf solch einfache Sachen kommt die Regierung nie. Offenbar sind die irgendwie benebelt. Doch wodurch?