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| Impressum 18. Mai 2005, von Michael Schöfer Getarnte Werbetexte der Autoindustrie in der FR? Ich gebe zu, ich lese die Frankfurter Rundschau. Schon seit mehr als 25 Jahren. Und zwar deshalb, weil sie linksliberal ist. Ja, ich traue mich noch, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Schlimmer, ich bekenne mich sogar ausdrücklich dazu. Daran merken Sie, lieber Leser, daß ich ziemlich mutig bin. Genauso wie die FR. Die Frankfurter Rundschau ist nämlich in mancher Beziehung wie das gallische Dorf zur Zeit von Asterix. Oder war es Caesar? Wie auch immer, zumindest leistet sie dem neoliberalen Mainstream nach wie vor hartnäckig Widerstand. Fast als einzige überregionale Tageszeitung. Leider ist linksliberal zu sein nicht mehr so modern wie früher, u.a. dadurch kam die Frankfurter Rundschau in wirtschaftliche Turbulenzen. Nun gehört sie, via Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg), der SPD. Wie wir alle wissen, gilt Bundeskanzler Gerhard Schröder als Autokanzler. Und so etwas färbt natürlich ab, leider auch bei der Frankfurter Rundschau. Denn Edelkarossen kann man neuerdings nicht nur in der einschlägigen Autopresse oder im ADAC-Mitgliedermagazin bewundern, sondern ebenso in der FR. Beispiel gefällig?
Zweifellos sind diese Fahrzeuge absolut unvernünftig. Doch warum werden sie dann neuerdings ausgerechnet in der Frankfurter Rundschau angepriesen? Angepriesen, nicht kritisiert! Sind das als redaktionelle Beiträge getarnte Werbetexte der Autobauer? Schließlich muß auch die FR von Anzeigen leben. Oder ist das der sanfte Druck der SPD auf die in dieser Beziehung vielleicht nicht mehr ganz so "unabhängige" Qualitätszeitung? Die Frankfurter Rundschau gehört zu den löblichen Ausnahmen im deutschen Blätterwald, weil sie z.B. kritisch über Umweltfragen berichtet. Um so unverständlicher sind diese Texte in "FR-Mobil". Der globale Erdölverbrauch hat sich seit 1990 von 3.130,2 Mio. t auf 3.608,6 Mio. t (2003) erhöht [1]. Tendenz: stark ansteigend. Natürlich mit den entsprechenden Folgen für das Klima. Angesichts dessen müßten wir uns eigentlich auf das Drei- oder gar Ein-Liter-Auto zubewegen. Ich plädiere keineswegs dafür, nicht über den BMW M6 zu berichten. Ganz im Gegenteil. Aber angesichts eines Verbrauchs von 22,7 Litern erwarte ich von der FR eine wesentlich kritischere Berichterstattung. Es ist doch schizophren, wenn man im politischen Teil zu Recht den Anstieg der Treibhausgase beklagt, während man gleichzeitig im hinteren Teil kritiklose Beiträge über klimaschädliche Luxusspielzeuge veröffentlicht. ---------- [1] Esso, Oeldorado 2004 |