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18. Mai 2005, von Michael Schöfer
Getarnte Werbetexte der Autoindustrie in der FR?


Ich gebe zu, ich lese die Frankfurter Rundschau. Schon seit mehr als 25 Jahren. Und zwar deshalb, weil sie linksliberal ist. Ja, ich traue mich noch, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Schlimmer, ich bekenne mich sogar ausdrücklich dazu. Daran merken Sie, lieber Leser, daß ich ziemlich mutig bin. Genauso wie die FR. Die Frankfurter Rundschau ist nämlich in mancher Beziehung wie das gallische Dorf zur Zeit von Asterix. Oder war es Caesar? Wie auch immer, zumindest leistet sie dem neoliberalen Mainstream nach wie vor hartnäckig Widerstand. Fast als einzige überregionale Tageszeitung.

Leider ist linksliberal zu sein nicht mehr so modern wie früher, u.a. dadurch kam die Frankfurter Rundschau in wirtschaftliche Turbulenzen. Nun gehört sie, via Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg), der SPD. Wie wir alle wissen, gilt Bundeskanzler Gerhard Schröder als Autokanzler. Und so etwas färbt natürlich ab, leider auch bei der Frankfurter Rundschau. Denn Edelkarossen kann man neuerdings nicht nur in der einschlägigen Autopresse oder im ADAC-Mitgliedermagazin bewundern, sondern ebenso in der FR. Beispiel gefällig?
  • Ausgabe vom 20.04.2005 ("Street-Racing à la américaine"): Frischluftvergnügen mit dem Chrysler Crossfire Roadster SRT6. Für 52.000 Euro zu haben, fast schon ein Billigheimer. V6-Kompressor-Ottomotor mit sequentieller Mulitpoint-Einspritzung. Wow! So etwas auf Anhieb fehlerfrei abschreiben zu können, gehört zu den Sternstunden eines jeden Bloggers (ich muß offenbar noch üben). 335 PS und 255 km/h Spitze. In der Stadt verbraucht er allerdings stolze 15,9 Liter auf 100 km.
  • Ausgabe vom 27.04.2005 ("Ein Pferd auf dreieinhalb Kilo"): Vorgestellt wird der neue BMW M6. 507 PS für schlappe 106.500 Euro. 10-Zylinder-V-Motor mit 5 Liter Hubraum, Höchstgeschwindigkeit 250 km/h. "Das Cockpit will erobert sein", läßt uns die FR wissen. Auch über den Benzinverbrauch läßt sie uns nicht im unklaren: innerstädtisch 22,7 Liter.
  • Ausgabe vom 18.05.2005 ("Der Disco mit dem Snob-Appeal"): Der Landrover Discovery V8 HSE mit Jaguar-Motor. 2,5 Tonnen auf vier Rädern. Höchstgeschwindigkeit ist bei einem sogenannten "Off-Roader" natürlich nicht so wichtig, der Landrover bringt es nur auf 195 km/h. Reicht aber allemal, um mit dem Disco vor auf Kollisionskurs befindlichen Breitmaulnashörnern zu flüchten. Beim Durst gehört der Landrover dagegen zur Spitzenklasse: innerorts 20,9 Liter.
Wer braucht solche Autos, wird sich der geneigte Leser fragen. Und: Wer kann sich solche Autos überhaupt leisten? Nun, offensichtlich gibt es noch genug, schließlich sind wir eine reiche Gesellschaft. Irgendwo wird das viele Geld ja stecken. Die Autoindustrie würde solche Autos kaum produzieren, wenn sie dafür keine Abnehmer fände.

Zweifellos sind diese Fahrzeuge absolut unvernünftig. Doch warum werden sie dann neuerdings ausgerechnet in der Frankfurter Rundschau angepriesen? Angepriesen, nicht kritisiert! Sind das als redaktionelle Beiträge getarnte Werbetexte der Autobauer? Schließlich muß auch die FR von Anzeigen leben. Oder ist das der sanfte Druck der SPD auf die in dieser Beziehung vielleicht nicht mehr ganz so "unabhängige" Qualitätszeitung?

Die Frankfurter Rundschau gehört zu den löblichen Ausnahmen im deutschen Blätterwald, weil sie z.B. kritisch über Umweltfragen berichtet. Um so unverständlicher sind diese Texte in "FR-Mobil". Der globale Erdölverbrauch hat sich seit 1990 von 3.130,2 Mio. t auf 3.608,6 Mio. t (2003) erhöht [1]. Tendenz: stark ansteigend. Natürlich mit den entsprechenden Folgen für das Klima. Angesichts dessen müßten wir uns eigentlich auf das Drei- oder gar Ein-Liter-Auto zubewegen. Ich plädiere keineswegs dafür, nicht über den BMW M6 zu berichten. Ganz im Gegenteil. Aber angesichts eines Verbrauchs von 22,7 Litern erwarte ich von der FR eine wesentlich kritischere Berichterstattung. Es ist doch schizophren, wenn man im politischen Teil zu Recht den Anstieg der Treibhausgase beklagt, während man gleichzeitig im hinteren Teil kritiklose Beiträge über klimaschädliche Luxusspielzeuge veröffentlicht.

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[1] Esso, Oeldorado 2004