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05. Juli 2005, von Michael Schöfer
Auch Ethikräte produzieren Unsinn


Die ethischen Folgen der modernen Medizin sollten gewiß bedacht werden, doch man kann hierbei auch gewaltig über das Ziel hinausschießen. Wenn beispielsweise die stellvertretende Vorsitzende des Ethikrates, Prof. Regine Kollek, zu bedenken gibt, "eine sozio-kulturelle Folge von Innenohr-Implantaten könne sein, daß die Zeichensprache als Verständigungsmittel für Taubstumme wieder verschwinde - und damit eine besondere Ausdrucksform des Menschen" (1), so ist das in meinen Augen - mit Verlaub - hanebüchener Unsinn.

Ethik ist immer ein Abwägungsprozeß. Aber das Verschwinden der Zeichensprache durch Innenohr-Implantate ernsthaft in diesen Abwägungsprozeß einzubeziehen, würde - konsequent zu Ende gedacht - ja bedeuten, daß man Taubstummen die Innenohr-Implantate möglicherweise vorenthalten sollte, damit die Zeichensprache als "besondere Ausdrucksform des Menschen" erhalten bleibt. Wenn im Ethikrat tatsächlich so verquer argumentiert wird, wundern mich dessen Empfehlungen ehrlich gesagt nicht.

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[1] "Schwerwiegende Fragen an die Wissenschaft", Frankfurter Rundschau vom 24.06.2004, Seite 2