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| Impressum 14. Juli 2005, von Michael Schöfer Die Retter Deutschlands? Nun ist endlich offiziell auf dem Markt, was die Union nach den Bundestagswahlen umsetzen will. Im gerade vorgestellten "Regierungsprogramm 2005 - 2009" kann man es selbst nachlesen. Es enthält - neben vagen Floskeln - durchaus konkrete Aussagen, läßt aber auch Entscheidendes offen. Was sind die Schwerpunkte? CDU und CSU wollen u.a.:
Natürlich wäre die Bereitstellung von mehr Geld für Forschung und Entwicklung äußerst wünschenswert. Doch welche Subventionen hierfür konkret abgebaut werden, bleibt weitgehend offen. Ob man die Mittel am Ende wirklich zusammenkratzen kann, ist deshalb äußerst fraglich. Zwar beteuert die Union die vollständige Gegenfinanzierung sämtlicher Maßnahmen durch den Abbau von Steuersubventionen und Ausnahmetatbeständen. Nachrechnen kann man das in Ermangelung von belastbaren Daten jedoch nicht, man kann es der Union lediglich glauben. Ob durch die gezielte Förderung des Niedriglohnsektors und die Aufweichung des Kündigungsschutzes tatsächlich vermehrt Arbeitslose eingestellt werden, ist ungewiß. Das sind neoliberale Glaubenssätze, für die es bislang keinen Beleg gibt. Wie so vieles andere, wird sich auch dies erst noch herausstellen müssen. Mit der Abweichung vom Flächentarifvertrag ist dieser faktisch am Ende. Belegschaften und Betriebsräte sind häufig erpreßbar, noch viel mehr als es eine Gewerkschaft ist. Aus diesem Grund wird es wohl im Falle eines Wahlsiegs der Union zu zahlreichen Abweichungen auf Betriebsebene kommen. Von einem Streikrecht für Belegschaften und Betriebsräte ist übrigens nicht die Rede. Mit anderen Worten: Die Machtbalance wird sich drastisch zugunsten der Arbeitgeber verschieben. Welche Auswirkungen das auf die von den Löhnen abhängige Massenkaufkraft hat, kann man sich ausmalen. Das allgemeine Lohnniveau wird weiter sinken. Gift für den Binnenmarkt. Gift für den Binnenmarkt, weil eindeutig kaufkraftmindernd, ist zudem die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Dies trifft insbesondere die niedrigen bis mittleren Einkommen, weil deren Konsumquote (= Anteil des Einkommens, der für Konsum ausgegeben wird) vergleichsweise hoch ist. Überdies ist die Mehrwertsteueranhebung in hohem Maße unsozial, weil Erwerbslose einerseits wesentlich mehr zahlen müssen, andererseits jedoch nicht von den an ein Erwerbseinkommen gekoppelten Entlastungen (etwa bei der Absenkung der Arbeitslosenversicherung) profitieren. Drastisch verletzt wird der Gleichheitsgrundsatz beim Kinderbonus, den nur Erwerbstätige bekommen. Die arbeitslose, alleinerziehende Mutter geht dagegen leer aus. Der Spitzensteuersatz bei der Lohn- und Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer sollen abermals abgesenkt werden. Die Union beabsichtigt also wie gehabt eine Umverteilung von unten nach oben. Die größte Unklarheit herrscht auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Die Gegenfinanzierung der Kopfpauschale, Bert Rürup taxierte den Umschichtungsbedarf einst auf stolze 40 Mrd. Euro, bleibt völlig schleierhaft. "Ein Teil davon, nämlich die knapp 16 Milliarden für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern, finanziert sich quasi von selbst. Arbeitnehmer bekämen bei der Pauschallösung den bisherigen Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag ausgezahlt. Mit dem Gehalt stiege auch die Steuer - genügend, um den Familienausgleich zu bewältigen." [1] Bleibt der Sozialausgleich in Höhe von 22,5 Mrd. Euro für die Bezieher kleiner Einkommen. Rürup brachte ursprünglich als Gegenfinanzierung der Kopfpauschale eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18,5 Prozent ins Spiel. Die von der Union vorgesehene Anhebung auf 18 Prozent braucht sie freilich bereits für andere Zwecke. Die allen unter den Nägeln brennende Frage, woher letztlich die Milliarden für die Kopfpauschale kommen sollen, wird im Regierungsprogramm nicht beantwortet. Eigentlich müßte man hierfür die Steuern erhöhen, und nicht - wie bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer - absenken. Im Konzept von CDU/CSU klafft somit eine riesige Finanzierungslücke. Alles in allem bleibt beim Regierungsprogramm vieles offen, das versprochene Gesamtkonzept ist es jedenfalls nicht. Und ob die Unklarheiten bis zur Bundestagswahl ausgeräumt werden, darf man mit Fug und Recht bezweifeln. Die Konsequenzen für den Bürger kommen wohl erst nach der Wahl ans Tageslicht. Dann, wenn es zu spät ist. ---------- [1] Frankfurter Rundschau vom 01.09.2004 |