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24. November 2005, von Michael Schöfer
These von der Basar-Ökonomie widerlegt


Hans-Werner Sinn, der Präsident des ifo-Instituts, redet ja gerne die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft herunter. Zu seinem großen Bedauern widersprechen aber die Fakten diesem Verdikt: Deutschland ist unbestritten Exportweltmeister und erzielt von Jahr zu Jahr Rekorde bei den Außenhandelsüberschüssen. Wäre die deutsche Wirtschaft so wenig leistungsfähig, wie ihr Sinn bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterstellt, würde sie auf dem Weltmarkt wohl kaum derartige Erfolge feiern.

Hans-Werner Sinn, laut BILD "der klügste Wirtschaftsprofessor Deutschlands", hat aus diesem offensichtlichen Dilemma einen scheinbar genialen Ausweg gefunden: seine These von der Basar-Ökonomie. Sie behauptet, daß deutsche Unternehmen immer mehr Produkte im Ausland anfertigen ließen und hierzulande nur noch die Endmontage stattfände. Die Endprodukte hätten zwar einen deutschen Markennahmen, würden aber in Wahrheit aus dem Ausland stammen, wohin sich nach und nach die eigentliche Wertschöpfung verlagere. Sinn zufolge findet in Deutschland zunehmend nur noch der Vertrieb statt - eben die besagte Basar-Ökonomie.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat jetzt Daten vorgelegt, die die These von der Basar-Ökonomie eindeutig widerlegen. [1] Danach sind die Exporte in der letzten Dekade stärker gestiegen als die Importe. Auch zeigen die Herkunftsländer der Importe, daß sie hauptsächlich aus anderen entwickelten Industriestaaten stammen, insbesondere aus den Mitgliedstaaten der alten EU. Nur ein geringerer Teil wird aus sogenannten Billiglohnländern importiert.



Deutschland ist demzufolge nicht lediglich Umschlagplatz (Basar) für die Waren aus aller Welt, sondern profitiert vielmehr als Produzent (!) wie kaum ein anderes Land vom Export. Würde die These Sinns wirklich stimmen, dann müßte die Spanne zwischen den Im- und Exporten kleiner werden. Sie wird aber deutlich größer. Mit anderen Worten: Der Anteil der Wertschöpfung, der in Deutschland stattfindet, weitet sich entgegen Sinns These sogar aus. Natürlich ist heute die internationale Verflechtung durch die Ausweitung des Handels wesentlich stärker als früher. Doch kann daraus keineswegs der Schluß gezogen werden, in Deutschland fände bloß noch Endmontage statt.

Der "klügste Wirtschaftsprofessor Deutschlands" verbreitet Unsinn.

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[1] Böckler-Impuls vom 09.11.2005, PDF-Datei mit 161 kb