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09. Dezember 2005, von Michael Schöfer
Was ist von so einer Partei zu halten?


Die WASG (Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit) hat wahrlich eine stürmische Entwicklung hinter sich. Erst im Januar 2005 als Partei gegründet, ist sie heute bereits mit Hilfe der Linkspartei/PDS im Bundestag vertreten. Wer hätte das gedacht? Kaum jemand. Doch heiligt der Erfolg die Mittel? Das ist die entscheidende Frage.

Schon kurz nach der für die SPD so schicksalhaften Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen fielen führende Repräsentanten der WASG durch stürmischen Gesinnungswandel auf. Wollte man früher mit der PDS rein gar nichts zu tun haben, stieg man plötzlich mit ihr ins Ehebett. Zumindest erklärte man sich öffentlich für verlobt. Bis zum Jahr 2007 sollte darüber entschieden werden, ob es zu einer Fusion beider Parteien kommt.

Obgleich das Bündnis mit der Linkspartei/PDS in einigen Landesverbänden der Wahlalternative nach wie vor heiß umstritten ist, haben die Vorsitzenden beider Parteien, Lothar Bisky (Linkspartei/PDS) und Klaus Ernst (WASG), jetzt abermals ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Linkspartei und Wahlalternative wollen bis 30. Juni 2007 "die freie Vereinigung der gesellschaftlichen Linken" erreichen, heißt es darin. "Die Fusion beider Parteien sei "nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wie". [1]

In der Urabstimmung über das Zusammengehen mit der Linkspartei/PDS stimmten im Juli 2005 85,27 Prozent der WASG-Mitglieder bei folgender Frage mit Ja: "Sind Sie für die Einleitung eines ergebnisoffenen Diskussionsprozesses mit dem Ziel ein breites demokratisches Linksbündnis zu schaffen?" Die Betonung lag hier auf "ergebnisoffen" und "Diskussionsprozeß". Nun geht es jedoch nicht mehr um das Ob, sondern bloß noch um das Wie. Eine wahrhaft eigenwillige Interpretation des Urabstimmungsergebnisses.

Was ist von einer Partei zu halten, die sich offenkundig um das Mitgliedervotum einen feuchten Dreck schert und deren Repräsentanten äußerst flexible Standpunkte einnehmen? Mit dem neuen Kooperationsabkommen werden nämlich entgegen der gültigen Beschlußlage Fakten geschaffen. Außerdem wird den Bündnisgegnern inzwischen freimütig mit Parteiausschluß gedroht. Was wird die nächste "Anpassungsleistung" sein?

Heute gibt man sich noch kapitalismuskritisch, vertritt angeblich die Interessen des sogenannten "kleinen Mannes". Wird man morgen, sollte es dem Führungspersonal opportun erscheinen, davon wieder abrücken? Das ist im wesentlichen eine Frage der Glaubwürdigkeit. Doch kann man der WASG vertrauen? Kann man einer Partei vertrauen, auf deren Aussagen kein Verlaß ist? Wohl kaum. Für mich ist das Duo Linkspartei/PDS und WASG deshalb nicht mehr wählbar. Den Wähler hinters Licht führen tun auch andere, dazu bedarf es freilich keiner neuen Partei. Linke Lügen sind nicht besser als rechte. Und bekanntlich wollen die Menschen weder das eine noch das andere.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 07.12.2005