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01. Februar 2006, von Michael Schöfer
Religiöser Intoleranz nicht nachgeben


Man mag sich darüber streiten, ob die Mohammed-Karikaturen, die in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlicht wurden, wirklich Niveau haben. Doch unabhängig davon: Karikaturen müssen provozieren, das ist schließlich ihre Aufgabe. Dabei ist es völlig gleichgültig, welches Thema sie aufgreifen. Selbstverständlich ist hiervon der religiöse Bereich keineswegs ausgenommen, immerhin sind wir eine säkulare Gesellschaft. Religion ist reine Privatsache. Es gibt keine Staatsreligion. Und das ist gut so.

Moslems protestieren gegenwärtig auf der ganzen Welt heftig gegen die von "Jyllands-Posten" - übrigens schon im September 2005 - veröffentlichten Karikaturen. Dänische Fahnen werden verbrannt, Botschafter islamischer Staaten zurückgerufen, Waren aus Dänemark boykottiert und sogar Mord- bzw. Bombendrohungen ausgesprochen. Man hat, vielleicht nicht zu Unrecht, enorme Angst vor Terroranschlägen. Mittlerweile hat sich die Redaktion von "Jyllands-Posten" bei den Moslems entschuldigt. Warum eigentlich, muß man allen Ernstes fragen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, welche Diskussionen hierzulande der Film "Die letzte Versuchung Christi" (1988) auslöste. Er wurde von vielen Christen scharf angegriffen, sie sprachen von Blasphemie (Gotteslästerung) und hätten den Film am liebsten verboten. Auch der äußerst witzige Monty Python's-Streifen "Das Leben des Brian" (1979) führte zu ähnlichen Protesten. "Der Film wurde nicht nur in Norwegen wegen Blasphemie aus den Kinos ausgesperrt, auch in Irland durfte er acht Jahre lang nicht gezeigt werden. In Italien kam der Film erst 1990 in die Kinos." [1] Proteste aus dem religiösen Bereich sind uns also nicht fremd.

Die Karikaturen in "Jyllands-Posten", so behaupten Moslems, beleidigen ihre religiösen Gefühle. Das mag durchaus sein, doch das müssen sie wohl oder übel hinnehmen. Wir sind nämlich eine aufgeklärte Gesellschaft, in der die Meinungsfreiheit höchste Priorität genießt. Aus diesem Grund sollten wir uns allen Zensurversuchen, egal aus welcher Ecke sie kommen, standhaft widersetzen. Das mag manchen, gleichgültig ob Christ oder Moslem, nicht passen, gehört allerdings zum Fundament unserer Demokratie. Religiöser Engstirnigkeit, und um nichts anderes handelt es sich hier, darf keinesfalls nachgegeben werden. Es gibt deshalb überhaupt keinen Grund, vor den Protesten einzuknicken. Wir lassen uns von niemand vorschreiben, was in unseren Zeitungen veröffentlicht wird. Die Intoleranz soll nicht triumphieren.

Natürlich werden die Karikaturen von interessierten Kreisen absichtlich ausgenutzt. Sie sind ein willkommener Anlaß, die Radikalisierung des Islam zu intensivieren und die Auseinandersetzung mit dem Westen weiter anzuheizen. Wenn wir jedoch einlenken, arbeiten wir den Radikalen geradewegs in die Hände, sie würden das zweifellos als Sieg interpretieren. Die Auseinandersetzung mit dem Islamismus kann freilich nur gewonnen werden, wenn wir bereit sind, auch im Konfliktfall zu unseren Werten stehen. Das schließt in meinen Augen Zensur ebenso aus, wie die Folterung von Gefangenen in Guantanamo. Wir müssen beides verurteilen.

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[1] Wikipedia, Das Leben des Brian