Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



18. Februar 2006, von Michael Schöfer
Eine Hand wäscht die andere


Energie ist teuer geworden, und das hängt hierzulande vor allem mit den verkrusteten Strukturen des Energiemarktes zusammen. Das Oligopol der Energieversorger, das den deutschen Markt dominiert (RWE, Eon, EnBW und Vattenfall), verhindert lästige Konkurrenz und kann dadurch fast nach Belieben die Preise bestimmen. Aus diesem Grund haben die Bundesbürger mittlerweile horrende Energierechnungen zu berappen. Doch wo Schatten ist, ist auch viel Licht. Denn die Energieversorger schaffen Arbeitsplätze, insbesondere für Politiker.

Beispiel RWE. Wie Sie sich vielleicht noch erinnern, soll der ehemalige Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Hermann-Josef Arentz, von RWE zwischen 1992 und 2004 pro Jahr 60.000 Euro erhalten haben, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Zumindest keine Gegenleistung in Form von Arbeit - andere "Gegenleistungen" konnten Arentz nicht nachgewiesen werden. Außerdem bezog Arentz kostenlos Strom. Nachdem er aus seinem lukrativen Job ausscheiden mußte, die neidische Öffentlichkeit zeigte leider, wie immer in solchen Fällen, wenig Verständnis, habe ich mich auf den freigewordenen Arbeitsplatz beworben. [1] Geld ohne Arbeit - kann man sich etwas schöneres vorstellen? Wohl kaum. Bedauerlicherweise hat mich RWE nicht einmal zum Vorstellungsgespräch geladen, dabei hätte ich den Job wirklich gerne gehabt.

RWE hat auch den früheren CDU-Generalsekretär, Laurenz Meyer, nicht vergessen. Er bezog noch 2004 Strom zum Mitarbeitertarif, obgleich sein Anstellungsverhältnis beim Tochterunternehmen VEW bereits im März 1999 ohne Gehalt ruhend gestellt wurde. Darüber hinaus hat man ihm "zur Erleichterung des Übergangs" in sein Amt als Fraktionsvorsitzender der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag 160.000 DM (rund 82.000 Euro) ausbezahlt. Nach der Landtagswahl im Mai 2000 wurde jedoch seine Wiedereinstellung ins Unternehmen beschlossen. Leider hat man damals aufgrund eines "Kommunikationsfehlers" versäumt, die eigentlich als Kompensation für sein Ausscheiden gedachten 160.000 DM zurückzufordern. [2] So ein Pech aber auch. Shit happens.

Im Jahr 2002 hat der seinerzeitige Staatsekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Alfred Tacke, anstelle des Bundeswirtschaftsministers Werner Müller die umstrittene Ministererlaubnis zur Übernahme des Gaskonzerns Ruhrgas durch den Energieriesen Eon erteilt. "Müller hatte ihm diese Aufgabe übertragen, weil er selbst wegen seiner früheren Tätigkeit bei der Eon-Vorgängergesellschaft Veba als befangen galt." [3] Im September 2004 wurde freilich bekannt, daß Tacke Vorstandsvorsitzender der Steag AG werden soll. Die Steag ist ein Tochterunternehmen der RAG (Ruhrkohle AG), die wiederum seit Juni 2003 von Tackes ehemaligem Chef, dem "befangenen" Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller geleitet wird. Anteilseigner der RAG sind, wie könnte es anders sein, Eon (39,2 Prozent) und RWE (21,9 Prozent).

Werner Müllers Nachfolger im Amt des Bundeswirtschaftsministers, Wolfgang Clement, beteuerte damals, der Wechsel von Tacke in den Vorstand der Steag AG habe natürlich "nicht das Geringste mit der Ministererlaubnis für die Fusion von Eon und Ruhrgas zu tun". [4] Wie jetzt allerdings bekannt wurde, wechselt Wolfgang Clement seinerseits in den Aufsichtsrat von RWE. "Clements früherer Chef, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, ist seit neuestem - angeblich ohne Bezahlung - juristischer Berater für die Ruhrkohle AG; deren Chef ist, die Welt ist klein, Schröders früherer Wirtschaftsminister Werner Müller." [5] Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Man ist eben eine große, überparteiliche Familie. Und Familienmitglieder helfen einander. "Geld ist dicker als Wasser", sagt der Volksmund. Oder war es Blut?

Nicht nur die Großen dürfen an den - über hohe Energiepreise erwirtschafteten - Gewinnen partizipieren, sondern auch die Kleinen. So hat die Kölner Staatsanwaltschaft im Januar 2006 die Zentrale der RWE-Tochter Thyssengas durchsucht, weil der Verdacht besteht, Thyssengas habe an den im wesentlichen durch Eon finanzierten Reisen von 159 nordrhein-westfälischen Kommunalpolitikern mitgewirkt. Eon soll den Kommunalpolitikern (Aufsichtsräte von 28 kommunalen Versorgern) Vergnügungsreisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen spendiert haben. Selbstverständlich weist Eon den Verdacht, es habe sich hierbei um Korruption gehandelt, vehement zurück. [6] Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und anderen Vorkommnissen, namentlich den Lustreisen von VW-Mitarbeitern nach Indien oder Brasilien, sind rein zufällig.

Zufall ist es natürlich auch, wenn die Politik in der Vergangenheit kaum etwas gegen das Oligopol der Energieversorger und die daraus resultierenden Energiepreise unternommen hat. Logisch, wer wird sich schon mit seinem künftigen Brötchengeber anlegen? Keiner. Das Ganze stinkt zum Himmel. Formal, d.h. juristisch betrachtet, mag die Beschäftigung abgehalfterter Politiker in Ordnung sein. In der Öffentlichkeit entsteht aber der nicht unberechtigte Eindruck, als habe sich die Energiewirtschaft die passenden politischen Entscheidungen schlicht und ergreifend gekauft. Und was wir bislang zu sehen bekamen, ist vermutlich bloß die Spitze des Eisbergs.

Nach Angaben von Newsclick.de bezieht Wolfgang Clement als Ex-Wirtschaftsminister und ehemaliger Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens eine monatliche Pension von 8.700 Euro. Clement sitzt überdies "seit kurzem im Aufsichtsrat des Dienstleistungs-Imperiums Dussmann und im Kontrollgremium der Berliner Landau Media AG". Ab April wird er "Kolumnist bei der Welt am Sonntag - und nun hat er auch ein Aufsichtsratsmandat beim Essener Energieriesen RWE angenommen". Letzteres soll ihm pro Jahr 20.000 Euro bringen. Clements früherer Chef, Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, ist inzwischen Berater der Ruhrkohle AG und des Schweizer Ringier-Verlags geworden, hat mit der renommierten New Yorker Redner-Agentur "Harry Walker" einen gutdotierten Vertrag als Vortragsreisender abgeschlossen und wird bald den Aufsichtsrat des Betreiberkonsortiums der Ostsee-Pipeline leiten. Letzteres übrigens ein Projekt, das er in seiner Amtszeit persönlich eingefädelt hat.

Selbstverständlich dürfen Politiker nach ihrem Ausscheiden beruflich tätig sein. Doch was diese Tätigkeiten so anrüchig macht, ist der Eindruck von Klüngel, den die Beschäftigungsverhältnisse hinterlassen. Gerhard Schröder war zudem Urheber der Hartz-Gesetze. Bestimmungen, denen zufolge sich Arbeitnehmer, die unter Umständen 30 Jahre lang Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet haben, innerhalb eines Jahres auf Sozialhilfeniveau wiederfinden. Und genau diese Diskrepanz treibt einem die Zornesröte ins Gesicht. Wie so häufig: Anderen Wasser predigen, aber selbst Wein saufen.

Beziehungsgeflecht:


----------

[1] siehe Bewerbung bei RWE-Power AG vom 24.09.2015
[2] RWE vom 23.12.2004
[3] FAZ.Net vom 04.09.2004
[4] Deutscher Bundestag, hib-Meldung vom 09.09.2004
[5] Newsclick.de vom 17.02.2006
[6] FAZ.Net vom 21.01.2006