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17. Mai 2006, von Michael Schöfer
Chefredakteur der Frankfurter Rundschau entlassen


Wolfgang Storz, der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, wurde, wie das Blatt gestern völlig überraschend bekanntgab, entlassen. In der FR von heute stand dazu folgende Erklärung:

Wechsel der Chefredaktion
Presseerklärung der Geschäftsführung des DuV vom 16. Mai 2006
1. Die Gesellschafterversammlung der Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH (DuV) hat heute mit sofortiger Wirkung die Abberufung von Herrn Dr. Wolfgang Storz als Chefredakteur der Frankfurter Rundschau beschlossen.
2. Nachfolger von Dr. Storz wird der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Dr. Uwe Vorkötter, der spätestens am 01. Juli 2006 von der Spree an den Main wechselt.
3. Axel Bernatzki und Dr. Richard Meng sind gebeten worden, kommissarisch die Aufgabe der Chefredaktion wahrzunehmen.
4. Die Beteiligten haben vereinbart, keine weiteren Erklärungen abzugeben.
DRUCK- UND VERLAGSHAUS FRANKFURT AM MAIN GMBH
Die Geschäftsführung

Stellungnahme der Redaktion vom 17. Mai 2006
Die Redaktion nimmt die Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters zur Kenntnis, legt aber Wert auf die Feststellung, dass sie die Entlassung des Chefredakteurs nicht billigt. Wolfgang Storz hat die Frankfurter Rundschau durch die schwierigste Zeit ihrer Existenz geführt. Er hat sich immer mit großem Engagement und erfolgreich für den Erhalt der FR als linksliberale, überregionale Qualitätszeitung eingesetzt. Diesen Weg wäre die Redaktion gern weiter mit ihm gegangen. Wolfgang Storz gilt unser Dank und unser Respekt.
Die Redaktion

Zu der Entlassung veröffentlichte die Frankfurter Rundschau entsprechend der getroffenen Übereinkunft keine Details, folglich kann man über deren Hintergründe nur spekulieren. So spricht etwa der Tagesspiegel vom 17.05.2006 von "fehlendem Grundvertrauen" zwischen Wolfgang Storz und der Mehrheitseigentümerin, der SPD-Medienholding DDVG (Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft). Angeblich verweigerte der Chefredakteur im Herbst letzten Jahres die Verwirklichung von rigiden Sparplänen. Seitdem sei das Verhältnis gestört gewesen.

Die deutsche Presselandschaft ist im Umbruch, insbesondere die Printmedien haben seit Jahren gehörig zu kämpfen. Die bekanntermaßen kritische und linksliberal ausgerichtete Frankfurter Rundschau hat es dabei wohl besonders schwer, weil sie sich bis dato tapfer dem häufig allzu seichten Zeitgeist entgegenstemmt. Vor allem bei der nachwachsenden Generation finden sich deshalb offenbar nicht genug Leser. Die Auflage sinkt, und der Verlag soll nach wie vor rote Zahlen schreiben.

Wolfgang Storz hat die FR in einer schwierigen Zeit übernommen, als sie kurz vor der Insolvenz stand. Nach tiefgreifenden Umstrukturierungen schien das Blatt jedoch aus dem Gröbsten heraus zu sein. Und nun das. Sollte der Ablösung von Storz ein publizistischer Kurswechsel folgen, wird die FR sicherlich zahlreiche Leser verlieren. Seinerzeit, als sie von der SPD-Medienholding DDVG übernommen und dadurch vor dem Konkurs gerettet wurde, hat man ja bereits viel über einen derartigen Kurswechsel spekuliert. Die DDVG hat damals allerdings jede Einflußnahme auf den redaktionellen Teil in Abrede gestellt. Eine Anpassung an die politische Richtung des gegenwärtigen Mehrheitseigentümers würde die Qualität der Rundschau zweifellos erheblich mindern. Für das Blatt könnte das den endgültigen Todesstoß bedeuten.

Als Leser, der die FR seit mehr als 25 Jahren zu schätzen weiß, hoffe ich, daß sie auch in Zukunft kritisch berichtet und ihren linksliberalen Kurs beibehält. Gewiß, Zeitungen müssen sich rechnen, doch sollte sich in der deutschen Medienlandschaft für die Frankfurter Rundschau eine Nische finden lassen, in der sie überleben kann, ohne sich dabei politisch zu verbiegen.