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30. Mai 2006, von Michael Schöfer
Schwul sein? Geht nicht!


Schon gar nicht in Moskau. Oder in Warschau. Schließlich ist Homosexualität absolut widernatürlich. Wenn im dekadenten Westen gleichgeschlechtliche Ehen toleriert werden, ist das noch lange kein Grund, dafür auch in Rußland oder Polen auf die Straße zu gehen. Und wer's nicht glaubt, bekommt eins auf die Schnauze. Wie zum Beispiel der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Warum, zum Teufel, nimmt der an einer Demo teil, die weder genehmigt ist noch "der politischen Ordnung des Gastlandes" entspricht? Letzteres moniert zumindest Andreas Schockenhoff (CDU). Menschenrechte? Pah, doch nicht für Sodomiten (so nannte man die früher).

Überhaupt Schockenhoff. An dem könnte sich der schwule Beck ein Beispiel nehmen. Lehrer ist der gute Mann gewesen, mithin ein leuchtendes Vorbild für die nachwachsende Generation. Wenigstens potentiell. Wäre bestimmt interessant gewesen, mitzuverfolgen, wie Schockenhoff seinen Schülern im Unterricht Achtung vor den Werten des Grundgesetzes beibringt. Beispielsweise Artikel 2: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit." Oder Artikel 3: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Oder Artikel 5: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten." Leider kann er das nicht mehr, denn seit 1990 sitzt er im Bundestag und hat es dort zum stellvertretenden Vorsitzenden seiner Fraktion gebracht. Kein x-beliebiger Hinterbänkler also.

Angestellter "des Lehramts am Freien katholischen Gymnasium im Bildungszentrum St. Konrad in Ravensburg" ist er zuvor gewesen. Selbstverständlich katholisch. Selbstverständlich. Wer will daran zweifeln. Niemand. Merkt man doch sofort, wie er Gottes Nächstenliebe vor der vom Teufel hervorgerufenen Lasterhaftigkeit verteidigt. Schwule? Die mochte nicht mal Jesus. Vor allem: fünf Kinder hat er. Nein, nicht Jesus. Schockenhoff. Fünf! Alles auf der Website des Bundestages nachzulesen. Da können sogar die meisten Heteros nicht mithalten. Von Beck ganz zu schweigen. Der müßte deswegen vor Neid erblassen. Tut er aber nicht. Naja, was ist von so einem schon zu erwarten.

Schockenhoff zeigt, was Manneskraft bewirken kann. Ho, ho, ho. Und wie man die Rentenversicherung rettet. Ach, hätten wir doch mehr von seiner Sorte. Dann gäbe es kein demographisches Problem und keinen Ärger mit Leuten, die der deutschen Leitkultur von Natur aus - igitt, igitt - ablehnend gegenüberstehen. Waren die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht die goldenen Jahre des Wirtschaftswunders? Rückbesinnung tut also not. Vor allem moralisch. Bestimmt sind an den mageren Wachstumsraten unserer Tage die Schwulen schuld. Und die Kommunisten. Und die Feministinnen. Überhaupt, dieser ganze ekelerregende Sittenverfall... Wenn einer das christliche Abendland verteidigt, dann Andreas Schockenhoff. Unser Fels in der Brandung der Sündhaftigkeit.

(Muß ich meinem Text jetzt wirklich "Achtung: Ironie!" hinzufügen?)