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| Impressum 20. Juli 2006, von Michael Schöfer Es geht auch anders Die Deutsche Bank hat vor den verheerenden Auswirkungen eines Militärschlags gegen den Iran gewarnt. "Nach einem Angriff dürfte das Land unverzüglich die Ölversorgung über die blaue Straße von Hormuz abschneiden, was weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft hätte. Von den 84 Millionen Barrel Öl (Fass zu 159 Liter), die weltweit täglich verbraucht werden, transportieren riesige Tankschiffe allein 16 Millionen durch die Meerenge vor der iranischen Küste. In der Folge würde das weltweite Ölangebot auf unbestimmte Zeit um 20 Prozent verringert und der Preis sich zumindest verdoppeln, auf nahezu 150 Dollar pro Barrel. Vor der Eskalation des Streits über das von Teheran geplante Atomprogramm hatte er etwa 65 Dollar betragen. In der Folge käme es wohl weltweit zu einer Rezession." [1] Keine Frage, die Situation ist, nicht zuletzt durch den erneut aufgeflammten Nahost-Konflikt, hochbrisant. Es ist in der Tat fraglich, ob sich die Lage durch eine militärische Reaktion grundlegend bessert. Als abschreckendes Beispiel sei hier nur an das Fiasko im Irak erinnert. Der Energiebedarf der Welt wächst rasant, in einer Welt endlicher Ressourcen kommen die hochgradig von Energieimporten abhängigen Industrienationen ohnehin enorm in die Bredouille. "Die weltweite Nachfrage nach Energie wird in den nächsten 25 Jahren stark steigen. Die Internationale Energieagentur erwartet bis 2030 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 1,7 Prozent." [2] Das würde einen Zuwachs um 50 Prozent bedeuten, bis 2050 könnte sich der Energieverbrauch sogar verdoppeln. Auseinandersetzungen um die knapper werdenden Ressourcen scheinen deshalb unausweichlich. Aber das muß nicht sein, es geht auch anders. Nach einer Studie, an der u.a. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt waren, könnte ab 2020 "billiger Ökostrom aus Nordafrika und Nahost (...) aus unseren Steckdosen kommen. (...) In Ländern wie Marokko, Ägypten oder Saudi-Arabien werden große Solarkraftwerke und Windparks mit mehreren hundert Megawatt Leistung gebaut. Sie arbeiten dort viel wirtschaftlicher als in Mitteleuropa, weil die Sonne intensiver scheint und die Windstandorte am Roten Meer und an der Atlantikküste zu den besten der Welt zählen. (...) Die Fernübertragung soll über Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen laufen, deren Verluste niedrig sind. Auf einer 3000 Kilometer-Strecke - etwa zwischen Tripolis und Helsinki - gingen nur zehn bis 15 Prozent des Stroms verloren. Der Anschluss ans EU-Netz bietet sich in Sizilien und Gibraltar an. (...) Der 'Sahara-Strom' wäre (...) Teil eines zukünftigen europaweiten Verbundnetzes von Öko-Kraftwerken. Neben Wind- und Solarparks würde es auch Wasser-, Biomasse- und geothermische Kraftwerke zwischen Norwegen und Ägypten miteinander verkoppeln. Es könnte 2050 rund 80 Prozent des Stromverbrauchs decken. Fossile Energien wären nur noch in geringem Umfang nötig." [3] Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren, könnte die prekäre Situation nicht nur ökonomisch, sondern vor allem politisch entspannen. Und es würde nicht zuletzt der Umwelt nutzen (Stichwort: Treibhauseffekt). Technisch gesehen scheinen die Probleme überwindbar zu sein. Fehlt nur noch der politische Wille, das Projekt umzusetzen. Und natürlich das hierfür notwendige Kleingeld. Nach einem Bericht der Budget-Abteilung des Kongresses (CBO) hat der US-Kongreß seit dem 11. September 2001 insgesamt 432 Milliarden US-Dollar für Kriege und andere Anti-Terror-Maßnahmen bewilligt. Die Kosten für den Irak-Einsatz belaufen sich seit 2003 auf 291 Milliarden US-Dollar, sie könnten jedoch auf 500 Mrd. steigen, selbst wenn die USA ihre Truppen bis 2009 abzögen. [4] Anstatt im Irak einen kostspieligen und für die Reputation der USA verheerenden Krieg ums Öls zu führen, wäre es rationaler gewesen, - analog zum Sahara-Projekt - die Energiegewinnung in ihrem Sonnengürtel zu forcieren. Wüstengebiete gibt es ja auch in den USA zur Genüge. Hier wäre das Geld demnach wesentlich vorteilhafter angelegt gewesen. Die weitgehende Unabhängigkeit von Energieimporten würde die internationale Lage zweifellos stabilisieren, die Industriestaaten wären weniger erpressbar und könnten somit politisch flexibler agieren. Unter diesem Aspekt ist das Sahara-Projekt allerdings ungeeignet. Lediglich die Abhängigkeit von Ölimporten aus den arabischen Staaten gegen eine Abhängigkeit von nichtfossilen Energieimporten aus der gleichen Region auszutauschen, ist fürwahr unklug. Besser wäre in meinen Augen, die Energie hauptsächlich in den sonnenreichen Regionen Südeuropas zu produzieren. Bekanntlich besitzt das EU-Mitglied Spanien große Wüstengebiete, die sich durch die aus dem Treibhauseffekt resultierende Verschiebung der Klimazonen in Zukunft wohl noch weiter ausbreiten werden. Mittlerweile sind "nach Angaben der Vereinten Nationen bereits über 30 Prozent des Staatsgebiets von der Wüstenbildung bedroht". [5] Eventuell wären unter diesem Gesichtspunkt auch Süditalien, Zypern und Griechenland geeignete Standorte. Das sollte man jedenfalls ernsthaft prüfen. Die Unabhängigkeit unseres Energiebedarfs von politischen Einflüssen wäre äußerst nützlich, so liefe dann beispielsweise der Terror der Islamisten größtenteils ins Leere. Wichtig ist diese Region, aus der der Terror stammt und in der er sich überwiegend austobt, doch nur wegen unserer Abhängigkeit vom Ölreichtum der dortigen Staaten. Oder meint jemand ernsthaft, Saudi-Arabien wäre für uns von Bedeutung, wenn dieses Land nicht der größte Erdölproduzent der Erde wäre? Die Verteilung der Ölreserven können wir nicht ändern. Doch was wir ändern können, ist unsere Abhängigkeit davon. Öl hat nämlich nur Wert für den, der es braucht. ---------- [1] Frankfurter Rundschau vom 20.07.2006 [2] Frankfurter Rundschau vom 11.07.2006 [3] Frankfurter Rundschau vom 15.07.2006 [4] Frankfurter Rundschau vom 15.07.2006 [5] taz vom 06.06.2006 |