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24. Juli 2006, von Michael Schöfer
Wahlmanipulation durch Wahlcomputer?


Erinnern Sie sich noch an das Chaos bei der US-Präsidentschaftswahl anno 2000? Nein? Nun, hier eine kleine Gedächtnisstütze: Al Gore, der demokratische Präsidentschaftskandidat, erhielt beim Wahlgang landesweit insgesamt 50.994.086 Stimmen. Sein Kontrahent, der Republikaner George W. Busch, dagegen nur 50.461.092 Stimmen - rund eine halbe Million weniger. Dennoch wurde der, was das Gesamtstimmergebnis angeht, unterlegene Kandidat Präsident. In Amerika gilt die Mehrheitswahl, nach dem Prinzip "the winner take all" erhält der Sieger alle Wahlmännerstimmen eines Bundesstaates, der Verlierer geht hingegen leer aus. So konnte Bush trotz eines Rückstands beim Gesamtstimmergebnis 271 Wahlmänner auf seine Seite bringen, Gore indes bloß 266. [1]

Entscheidend waren die Stimmen aus Florida, das 25 Wahlmänner ins Electoral College  (Wahlmännergremium) zu entsenden hatte. Nach einem beispiellosen Chaos, bei dem das genaue Wahlergebnis wochenlang unklar blieb, stoppte schließlich der Supreme Court (oberste Gerichtshof) die laufende Auszählung, in der George W. Bush mit lediglich 537 von insgesamt 5,9 Mio. Stimmen vorne lag. Das Wahlergebnis ist bis heute umstritten, die Demokraten sprach damals gar von einer "gestohlenen" Wahl. Nicht zuletzt deshalb, weil in Florida der Bruder des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, John Ellis "Jeb" Bush, Gouverneur ist. Das gab Anlaß zu Mißtrauen. Unabhängig von der Frage, ob dieses Mißtrauen berechtigt war oder nicht, stellten sich die veralteten Wahlmaschinen als ungeeignet heraus. Strittig war insbesondere, ob die in Lochkarten gestanzten Löcher von den Wahlmaschinen korrekt gesetzt wurden und wie sie konkret zu zählen sind.

Im Nachgang machte man sich intensiv Gedanken darüber, wie Wahlen künftig schneller und exakter durchzuführen sind. Eine Lösung, die auch in der Bundesrepublik schon teilweise realisiert wurde, ist der Einsatz von Wahlcomputern. Bei den Bundestagswahlen im September 2005 gaben die Wähler in 1831 von rund 80.000 Stimmbezirken ihre Stimme an einem derartigen Gerät ab. Aber die Verwendung von Wahlcomputern ist ebenfalls heftig umstritten, es gibt nämlich erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit und der Überprüfbarkeit des Wahlergebnisses. "Die softwaregesteuerten Wahlgeräte der niederländischen Firma Nedap erfassen die Stimmen mittels einer Folientastatur, die dem herkömmlichen Stimmzettel nachgebildet ist, und legen sie in einem aus zwei EEPROMs aufgebauten Speichermodul ab. Am Ende des Wahltags werden die auf die einzelnen Bewerber und Listen entfallenden Stimmen saldiert; das am Gerät ausgedruckte Resultat der elektronischen Zählung übernimmt dann der Wahlvorstand als offizielles Endergebnis ins Protokoll." [2]

Dafür, ob das maschinell ermittelte Ergebnis tatsächlich mit dem Wählerwillen übereinstimmt, gibt es allerdings keine Garantie. Das Baumuster der Wahlcomputer wird zwar durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) geprüft, ob die am Wahltag eingesetzten Geräte jedoch mit dem geprüften Baumuster hundertprozentig übereinstimmen, ist fraglich. Gezielte Wahlmanipulationen sind daher nicht völlig auszuschließen. Überdies sind Computer bekanntlich anfällig für Angriffe von außen. Gelingt es Hackern irgendwie in die Wahlcomputer einzudringen, ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Zugegeben, kein technisches Gerät ist absolut fehlerfrei. Was bei den Wahlcomputern freilich schwer ins Gewicht fällt, ist ihre mangelnde Überprüfbarkeit. Nachzählen ist schließlich nicht möglich, man muß dem von ihnen ausgeworfenen Wahlergebnis blind vertrauen. Die eigentlich vom Wahlgesetz vorgeschriebene öffentliche Kontrolle der Auszählung entfällt total. In Irland lagern seit drei Jahren 7.500 Wahlcomputer der Firma Nedap ungenutzt im Depot, weil ihr Einsatz auch dort umstritten ist. [3]

Wie kann man einerseits eine schnelle Auszählung gewährleisten, ohne auf die notwendige Sicherheit beim Wahlvorgang zu verzichten? Wahlcomputer, sofern sie eingehend überprüft und hinreichend vor Manipulation geschützt sind, stellen ein rasches Wahlergebnis sicher. Die Überprüfbarkeit des von ihnen ausgeworfenen Resultats könnte man so garantieren: Nach jedem Wahlvorgang druckt der Wahlcomputer noch in der Wahlkabine einen Wahlzettel aus, auf dem die vom Wähler gewählten Kandidaten und/oder Parteien verzeichnet sind. Der Wähler kann somit die korrekte Verbuchung seiner Wahlentscheidung sofort kontrollieren. Erst nach dem Ausdruck dürfen die Stimmen im Wahlcomputer zur Zählung freigegeben werden, was der Wähler per Knopfdruck bestätigen muß. Er wirft anschließend den Ausdruck in eine separate Wahlurne, was später die manuelle Überprüfbarkeit des Wahlcomputers sicherstellt. Im Zweifelsfall gilt das Ergebnis der Wahlurne. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Stimmergebnis ist relativ schnell ermittelt, und zum Nachzählen hat man die Wahlzettel zur Verfügung.

Ich denke, auf diese Weise wäre der Einsatz von Wahlcomputern akzeptabel. Wenn sichergestellt ist, daß skandalöse Wahlen à la Florida ausgeschlossen sind, steht dem Einsatz von elektronischen Zählmaschinen nichts entgegen.

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[1] Wikipedia, Präsidentschaftswahl 2000 (Vereinigte Staaten)
[2] c't 15/2006 vom 10.07.2006, Seite 104
[3] c't 16/2006 vom 24.07.2006, Seite 54