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28. Mai 2005, von Michael Schöfer
Leider gibt es unter Bloggern solche und solche


Bloggen ist ja jetzt in. Nun, es gibt zugegebenermaßen wesentlich schlechtere Arten, seine Zeit zu vergeuden. Endlich kann man der Welt vom eigenen Wohnzimmer aus seine Meinung ist Gesicht schleudern. Auch wenn die Welt an dieser Meinung meist gar nicht interessiert ist. Unter Milliarden von Websites bleibt der einzelne Blogger in der Regel völlig unbeachtet. Man ist richtig überrascht, wenn man überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Bloggerschicksal.

Der unschätzbare Vorteil eines Weblogs ist die Kommunikation mit anderen, Kommentare von Weblog-Besuchern sind geradezu erwünscht. Zumindest bei den meisten. Denn leider gibt es unter Bloggern solche und solche. Es geht zu wie im richtigen Leben, die virtuelle Welt ist lediglich ein Spiegelbild der realen. Viele Blogger setzen sich mit den Kommentaren, die auf ihrem Weblog eingehen, ruhig und sachlich auseinander. So, wie man es von den Leserbriefspalten der Qualitätszeitungen oder von Seminaren gewohnt ist. Hier kann dann ein für beide Seiten fruchtbarer Meinungsaustausch stattfinden. Kann.

Doch manche Blogger sitzen derart auf dem hohen Roß, daß man sich fassungslos abwendet. Mit offensichtlichem Genuß werden Weblog-Besucher abgekanzelt und öffentlich "vorgeführt", selbstgefällig deren angeblich "oberflächliche Argumentationsweise" angeprangert ("ich weiß gar nicht, woher er eigentlich sein Wissen bezieht"). Streitsüchtig reagiert man die kleinste Art von Kritik ("da ist er aber an den Richtigen geraten - ho, ho, ho"), verbittet sich Belehrungen ("das muß ich mir nicht sagen lassen") und blafft den anderen zornig an. Oops, man hat sich geärgert. Stellt Euch vor. Gelassenheit ist halt nicht jedem gegeben.

Distanz und Anonymität verleiten zuweilen, sein wahres Gesicht zu offenbaren. Im Internet kann man den Kontrahenten endlich mal richtig zur Sau machen, ohne negative Sanktionen des näheren Umfelds befürchten zu müssen. Soziale Kontrolle? Fehlanzeige. Gut, Weblogs haben für einige gewiß auch eine therapeutische Funktion. Natürlich ist es abstoßend, wenn Blogger, im Bestreben andere Blogger fertigzumachen ("verzeih mir, daß ich zu diesem Mittel greifen muß"), der Welt - ungewollt - bloß ihre eigene Charakterschwäche präsentieren. Doch hat die virtuelle Welt der Weblogs einen unschätzbaren Vorteil: Niemand wird gezwungen, einen Weblog zu besuchen und darin Kommentare zu hinterlassen. Der Aufwand lohnt manchmal schlicht und ergreifend nicht. In der Blogosphäre sind die netten Blogger zum Glück in der Überzahl, lassen wir deshalb die verbissenen am besten in Ruhe.