Home
| Archiv | Leserbriefe
| Impressum 07. Dezember 2006, von Michael Schöfer Ursache der Gewalt ist komplexer Die Gesellschaft erntet das, was sie seit langem - vielleicht unabsichtlich - sät. Es ist unbestreitbar, daß sich der Medienkonsum in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt hat, so ist etwa Fernsehen insbesondere durch die privaten Sender oberflächlicher und brutaler geworden. Die Unfähigkeit, sich grammatikalisch korrekt auszudrücken, ist fast schon Grundvoraussetzung dafür, Kultstatus zu erlangen ("Da werden Sie geholfen!"). Sogar der Duden war bereit, die deutsche Sprache zu verhunzen, weil viele mit der alten Rechtschreibung Schwierigkeiten bekamen. Anpassung nach unten, nennen das manche. Andere Kulturverfall. Die Politik hat dies nach Kräften unterstützt. Bei schlichteren Gemütern ist Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung dominierend. In den Medien wird ihnen genau das immer wieder aufs neue präsentiert. Je mehr schlichte Gemüter, desto mehr Gewalt? Das ist vielleicht zu eindimensional gedacht, trotzdem nicht ganz von der Hand zu weisen. Amokläufer kannte man früher fast nur aus den USA, heutzutage sind sie leider auch hierzulande anzutreffen. Erfurt und Emsdetten lassen grüßen. Nun kündigte im Internet ein bislang unbekannter Ego-Shooter-Spieler für den Nikolaustag irgendwo in Baden-Württemberg einen Amoklauf an. Das baden-württembergische Kultusministerium hat daraufhin die Schulen und die Öffentlichkeit informiert. Im nachhinein wird den Behörden Panikmache vorgeworfen. Klar, hinterher ist man immer schlauer. Hätte man nicht gewarnt, und wäre es zu einem Amoklauf gekommen, müßten sich die Behören jetzt bittere Vorwürfe anhören - vermutlich von den gleichen Personen, die ihnen gegenwärtig Panikmache unterstellen. In meinen Augen haben die Behörden richtig gehandelt. Doch das ist nicht die eigentliche Diskussion. Es wird überhaupt viel zu viel diskutiert, jedoch bedauerlicherweise zu wenig gehandelt. Wie oft hat man schon das Verbot von gewaltverherrlichenden PC-Spielen gefordert? Bayern tut das ja erneut. Und was ist passiert? Nichts! Strafbar sind solche Spiele ohnehin:
Auszug aus § 131 StGB Gewaltdarstellung
(1) Wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, 1. verbreitet, 2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, 3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder 4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine Darbietung des in Absatz 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet. Das Verbot hat bloß in der Praxis kaum Konsequenzen. Schärfere Gesetze fordern ist lediglich ein politischer Reflex, der bestenfalls Hilflosigkeit dokumentiert. So schlagen jedesmal nach einem Vorfall 14 Tage lang die Wellen hoch, dann ist wieder ein anderes Thema en vogue. Doch selbst wenn sich daran in naher Zukunft etwas ändert, keiner soll sich einbilden, das Problem wäre damit aus der Welt. Die Ursache der Gewalt ist nämlich wesentlich komplexer. Ich fürchte, sobald es an die Substanz geht und die Interessen einflußreicher Kreise tangiert werden, zieht man wieder den Schwanz ein. Bis zum nächsten Amoklauf. Vielleicht sollen die Rufe nach härteren Gesetzen genau das kaschieren. Oder glaubt wirklich irgend jemand daran, daß man demnächst zum Beispiel RTL die Ausstrahlung von brutalen Action-Filmen untersagen wird? |