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| Impressum 18. Januar 2007, von Michael Schöfer Schwindsüchtiger Staat Der zweieinhalbjährige Kevin wurde im Oktober vorigen Jahres von seinem drogensüchtigen Stiefvater misshandelt und ist an den Folgen gestorben. Den Mitarbeitern der Bremer Jugendbehörde, unter deren Vormundschaft Kevin stand, wurden deshalb schwere Versäumnisse vorgeworfen. Sich jetzt - im Nachhinein - demonstrativ zu entrüsten und den Behörden krasses Versagen vorzuwerfen, ist bequem. Gewiss, das Jugendamt hätte mehr tun müssen, offensichtlich sind haarsträubende Fehler gemacht worden. Doch hat man den Behörden auch die für die Hilfe notwendigen Mittel zukommen lassen? Aus einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 18.01.2007 über den Bremer Untersuchungsausschuss: "Der Amtsvormund des tödlich misshandelten Kevin hat seine Vorgesetzten mehrfach erfolglos auf seine Arbeitsüberlastung hingewiesen. (...) Nach Sparmaßnahmen der letzten Jahre hätten im Jugendamt zuletzt nur noch drei Vormünder auf 2,75 Planstellen 640 Kinder betreut. 'Das ist nicht leistbar', klagte der Diplom-Sozialarbeiter als Zeuge vor dem Ausschuss. 'Aber das hat niemanden interessiert.' Hinzu komme, dass 'uns alle Schreibkräfte weggenommen wurden'. Deshalb müsse er jetzt halbtags selber am Computer sitzen. Immer wieder hätten er und seine Kollegen die Vorgesetzten mündlich und schriftlich auf diese Belastung hingewiesen - sogar mit förmlichen Überlast-Anzeigen. Auch der (inzwischen zurückgetretenen) Jugend- und Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) habe er am Rande eines Termins die Zustände 'deutlich geschildert'. Aber all das habe nichts bewirkt, sagte der Vormund." Kommt uns das nicht bekannt vor? Einerseits wird ständig die angeblich viel zu hohe Steuerquote geklagt, weshalb man dem öffentlichen Dienst seit Jahren drastische Sparmaßnahmen auferlegt. Andererseits will man nicht auf die gewohnten staatlichen Leistungen verzichten, im Bedarfsfall soll nämlich alles wie bisher funktionieren. Dass das nicht geht, hätte eigentlich klar sein müssen. Natürlich fühlen sich die Politiker, die den Staat schwindsüchtig werden ließen, in keinster Weise verantwortlich. Sie waschen ihre Hände in Unschuld. Verantwortlich gemacht werden bloß die Kleinen, in diesem Fall die Mitarbeiter des Bremer Jugendamts, gegen die staatsanwaltschaftliche und disziplinarische Ermittlungen laufen. So ist es immer: Lebensmittelkontrolleure werden eingespart, aber die ganze Republik regt sich über Gammelfleischskandale auf. Bei der Polizei werden Stellen abgebaut, doch wenn man sie braucht, soll sie stets blitzschnell da sein. Man beklagt Steuerhinterziehung, stellt freilich nicht genug Betriebsprüfer ein, mit deren Hilfe diese zu reduzieren wäre. Leider konzentriert sich die Öffentlichkeit bei Skandalen vorwiegend auf die Symptome, die wahren Ursachen bleiben meist im Dunkeln. Wir müssen entscheiden, was wir vom Staat wollen. Wenn wir entschieden haben, müssen wir für das, was wir wollen, selbstverständlich bezahlen. Wer sparen will soll offen sagen, worauf seiner Meinung nach verzichtet werden kann - mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Und er übernehme hierfür bitte auch die Verantwortung. Drastisch sparen und auf nichts verzichten, ist jedoch unmöglich. Weder bei der Bremer Jugendbehörde noch andernorts. |