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27. Januar 2007, von Michael Schöfer
Vor dem Gesetz sind alle gleich


Wirklich alle? Nein, manche sind bekanntlich gleicher.

Michael K. versteigerte bei Ebay von Mai 2005 bis Anfang 2006 Fußball-WM-Tickets, die er gar nicht besaß. Bis zu 4.500 Euro zahlten einige seiner Kunden, insgesamt hat er dabei knapp 60.000 Euro abgesahnt. Die Justiz wertet das zu Recht als Betrug, aus diesem Grund stand er in der vergangenen Woche in Mannheim vor dem Amtsgericht. "Mit höchster krimineller Energie", befand der Richter, habe er seine Betrügereien begangen. "K. überzeugte nicht nur mit den WM-Tickets, sondern auch mit Sicherheitsleistungen. Anstandslos sendete er seinen Käufern die Kopie seines Personalausweises, zudem eine von ihm gefälschte E-Mail der FIFA, die den angeblichen Kauf der Karten bestätigte. Dem nicht genug gewährte er den Kunden auch einen Blick auf seinen Kontoauszug, der - ebenfalls gefälscht - eine Abbuchung der FIFA aufwies." [1]

K. gönnte sich was: u.a. drei Wochen Aufenthalt im New Yorker Luxushotel Waldorf-Astoria, einen Skiurlaub, Kurztrips nach München und Besuche in Promidiskos. Das Geld ist futsch, K. hat alles restlos verprasst. Richter Krehbiel kannte keine Gnade: "Es gibt nichts, was für Sie spricht, das, was Sie getan haben, ist Schmarotzertum auf höchstem Niveau." Obwohl der Staatsanwalt nur zwei Jahre und neun Monate Haft forderte, wurde Michael K. zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Ein Strafmaß, bei dem es laut Gesetz keine Bewährung mehr geben darf.

Ortswechsel. Ein gewisser Peter Hartz, allseits bekannt durch sein Urheberrecht an rigorosen Sozialgesetzen, wurde ebenfalls in der vergangenen Woche verurteilt. "Die Anklage hatte dem 65 Jahre alten Hartz Untreue in 44 Fällen und unrechtmäßige Begünstigung von Betriebsräten vorgeworfen." Den Schaden, den Hartz dem VW-Konzern von 1995 bis 2005 zufügte, bezifferte die Staatsanwaltschaft in einer 63-seitigen Anklageschrift auf insgesamt 2.628.359,75 Euro. [2] Hartz gab zu, als Personalvorstand des Autobauers den damaligen Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert auf Firmenkosten "eingekauft" zu haben. Das Geld ging u.a. für Sexpartys, Schmuck, Reisen und Volkerts brasilianische Geliebte drauf. Das Braunschweiger Landgericht verurteilte Peter Hartz zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von 576.000 Euro. "Das milde Strafmaß begründete Richterin Dreyer damit, dass Hartz nicht vorbestraft sei und sich bei der eigenwilligen Auslegung des VW-Bonuswesens nicht bereichert habe."

Merke: Ein kleiner Betrüger, der 60.000 Euro ergaunert, hat keine Gnade zu erwarten und muss für drei Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Ein Prominenter, der 2,6 Mio. veruntreut, kommt mit zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe davon. Dem einen wird "Schmarotzertum auf höchstem Niveau" attestiert, beim anderen machen Gericht, Anklage und Verteidigung kurzerhand einen Deal. Peter Hartz wird wohl auch künftig nicht unter Hartz IV zu leiden haben, selbst wenn er in einem Zivilprozess zu Schadensersatz verurteilt werden sollte. Vor Gericht gab er sein Vermögen mit 2,7 Mio. und sein Monatseinkommen mit 25.000 Euro an. Michael K. hat nach der Haft deutlich schlechtere Perspektiven.

Beide Gerichte mögen für ihre Urteile gute Gründe gehabt haben, schließlich ist jedes Urteil individuell auf den jeweiligen Fall zugeschnitten. Und man macht es sich oft allzu leicht, wenn man ohne genaue Kenntnis des Vorgangs ein Urteil kritisiert. Dennoch bin ich der Meinung, dass es beim Strafmaß, vergleicht man die Urteilssprüche miteinander, ein krasses Missverhältnis gibt. Michael K. konnte offenbar keinen Deal mit dem Gericht arrangieren, obwohl er ebenfalls geständig war. Dass Gerichte einen Mann vom Kaliber eines Peter Hartz ins Gefängnis schicken, ist äußerst selten, das haben wir ja bereits beim sogenannten Mannesmann-Prozess gesehen. Bei Letzterem wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage von insgesamt 5,8 Mio. Euro eingestellt, obgleich man den Beschuldigten, u.a. dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und dem ehemaligen Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser, Untreuehandlungen in Höhe von 57 Mio. Euro vorwarf. "Müssen Reiche nicht ins Gefängnis?", fragt Bild gewohnt populistisch. Es hat zumindest den Anschein. Dem Rechtsbewusstsein der Bevölkerung sind derartige Urteile jedenfalls nicht förderlich.

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[1] Mannheimer Morgen vom 27.01.2007
[2] Frankfurter Rundschau vom 25.01.2007