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15. Mai 2007, von Michael Schöfer
Was kann Cerberus...


...was Daimler nicht kann? Die Ehe von Daimler-Chrysler ist endlich zu Ende, der Stuttgarter Autokonzern trennt sich von seiner US-Tochter und muss dabei deutliche Verluste hinnehmen. Das war seit langem absehbar. Der einst hochgelobte Jürgen Schrempp, von Mai 1995 bis Dezember 2005 Vorstandsvorsitzender des Konzerns, träumte großspurig von einer "Welt-AG". "Mit Daimler-Chrysler wollen wir einen neuen Maßstab setzen - in Ertragskraft und globalem Wachstum auf allen relevanten Märkten", sagte er 1998 als Begründung für den Zusammenschluss. Später, im Jahr 2000, stieg er auch noch beim japanischen Autobauer Mitsubishi ein. "Wir können jetzt wirklich von einer Welt-AG sprechen. Wir haben das Tor nach Asien aufgemacht und nun eine Wachstumsdynamik wie kein anderer Hersteller", so Schrempp damals. [1] Alles ausgeträumt.

36 Mrd. US-Dollar kostete der Einstieg bei Chrysler seinerzeit, heute erzielt Daimler für die 80,1 Prozent, die Cerberus übernimmt, gerade mal 7,4 Mrd. Dollar. Doch damit nicht genug, das Gros des Kaufpreises fließt an Chrysler zurück, Daimler behält lediglich 1 Mrd. Euro und muss das Unternehmen schuldenfrei übergeben. Am Ende könnte unter dem Strich also durchaus eine Null stehen. Schrempp hat demzufolge viele Milliarden in den Sand gesetzt, außer dem ursprünglichen Kaufpreis das, was Daimler in all den Jahren in Chrysler investierte.

Cerberus Capital Management ist ein Finanzinvestor, der angeschlagene Firmen übernimmt und sie knallhart saniert. Seit der Gründung im Jahr 1992 investierte die Private-Equity-Gesellschaft, manche sagen dazu auch "Heuschrecke", weltweit "25 Milliarden US-Dollar in mehr als 300 Unternehmen". [2] Cerberus will sich bei Chrysler angeblich langfristig engagieren. Ein zusätzlicher Stellenabbau steht laut Daimler-Chef Dieter Zetsche bei Chrysler (rund 80.000 Beschäftigte) derzeit nicht zur Debatte, "kleinere Anpassungen" wollte er aber "nicht ausschließen" - was immer das konkret heißen mag. [3] Nachtigall, ick hör' dir trapsen. Beschäftigte sind es ja längst gewohnt, für Management-Fehler die Zeche zu zahlen. Sämtliche amerikanischen Autokonzerne stecken tief in der Krise, was Cerberus angesichts dessen besser kann als der geballte Sachverstand von Daimler, ist schleierhaft. Zwar wird der Finanzinvestor vom ehemaligen Daimler-Manager Wolfgang Bernhard beraten, doch ob er die Misere von Chrysler in den Griff bekommt - und vor allem wie -, steht in den Sternen. Womöglich wird der amerikanische Autokonzern, wie von etlichen befürchtet, zerschlagen. Insofern ist das Engagement von Cerberus bei Chrysler mit größter Skepsis zu bewerten.

6,1 Mio. Euro verdiente Jürgen Schrempp anno 2001, immerhin Platz 5 der deutschen Manager-Rangliste. [4] Natürlich muss er von seinem früheren Salär nichts zurückgeben, obgleich er zumindest aus moralischer Sicht Schadenersatz leisten müsste. "Gegenwärtig ist Schrempp Honorargeneralkonsul der Republik Südafrika, Vorsitzender der Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) und Chairman der United Global Academy (UGA) mit Sitz in Wien. Im Oktober 2006 wurde er von Staatsminister Alec Erwin persönlich zum Aufsichtsratsmitglied der nationalen südafrikanischen Fluggesellschaft South African Airways berufen." [5] Weich gefallen, nennt man das wohl. Am Hungertuch nagt er jedenfalls nicht. Bei den Arbeitnehmern, die wegen seines Missmanagements ihre Arbeitsplätze verloren, ist das ganz anders. Und wenn demnächst über dem Teich ebenfalls Tausende von Arbeitsplätzen zur Disposition stehen, sollte das für deutsche Daimler-Beschäftigte kein Anlass zur Freude sein. Gewiss, den Mühlstein Chrysler sind sie nun los, die Arbeitsplätze hierzulande sind durch die Trennung zweifellos etwas sicherer geworden, aber heutzutage gilt das nur temporär. Im Shareholder-value-Kapitalismus gibt es kein Ruhekissen mehr - höchstens eins für ausrangierte Manager. Den einen droht Hartz IV, die anderen bekommen den goldenen Handschlag. Ist das gerecht?


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[1] Kölner Stadt-Anzeiger vom 14.05.2007
[2] Wikipedia
[3] Frankfurter Rundschau vom 15.05.2007
[4] Manager-Magazin vom 19.07.2001
[5] Wikipedia


Nachtrag (05.06.2007):

"Jürgen Schrempp, der frühere Chef von Daimler-Chrysler, kann durch die Rückabwicklung der Daimler-Chrysler-Fusion zweistellige Millionenbeträge erzielen. Allein in der vergangenen Woche wurden durch den Kursanstieg der Daimler-Chrysler-Aktie Optionen fällig, die Schrempp 5,9 Millionen Euro einbringen, wie das Handelsblatt berichtet. Insgesamt belaufe sich der Wert seiner Aktienoptionen auf mehr als 50 Millionen Euro. (...) Der Kurs der Daimler-Chrysler Aktie ist seit Schrempps Rücktrittsankündigung im Juli 2005 um mehr als 88 Prozent gestiegen und hat mittlerweile die Marke von 66,96 Euro überschritten. Dies ist der Preis, zu dem Schrempp seine Aktienoptionen aus dem Jahr 2001 ausüben kann. Insgesamt stehen ihm Aktien im Wert von 44,3 Millionen Euro zu. Hinzu kommen weitere Optionen aus 2005 im Wert von sechs Millionen Euro. Diese können allerdings frühestens 2009 gezogen werden." [6] Paradox: Schrempp scheitert und kassiert ab. Vor allem deshalb, weil nach seinem Rücktritt der Aktienkurs in die Höhe schnellte. Das verstehe wer will.

[6] Frankfurter Rundschau vom 05.06.2007