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31. Mai 2007, von Michael Schöfer
Hugo Chávez schränkt Pressefreiheit ein


Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hat gerade einem oppositionellen Fernsehsender (Radio Caracas Television’, RCTV) die Lizenz zur weiteren terrestrischen Ausstrahlung seines Programms versagt. RCTV habe zum Putsch gegen Chávez aufgefordert, heißt es. Der Vorwurf ist bemerkenswert, hat doch Chávez einst (1992) selbst erfolglos geputscht. Andere Sender (z.B. Globovision) befinden sich ebenfalls schon im Visier der Staatsmacht. "Der Sender Globovision sei staatsfeindlich, sagte Chavez am Dienstag in einer Aufzeichnung, die von allen TV-Stationen ausgestrahlt werden musste. 'Feinde des Heimatlandes, vor allem ihr im Hintergrund, ich gebe euch einen Namen: Globovision'." Die deutschsprachige Presse hat darüber berichtet, teilweise wird ihr deshalb - hauptsächlich in der Bloggerszene - Desinformation vorgeworfen. Überschrift: "Massenmedien belügen deutsches Volk zu Venezuela." [1]

Das Ganze riecht verdammt nach beginnender Diktatur. Einem Sender die Lizenz zu entziehen, ist zweifellos Zensur. Wenn die Beiträge des Senders angeblich gegen Gesetze verstoßen, kann man ja vor Gericht gehen. In einem Rechtsstaat wäre das der ordentliche Weg - vorausgesetzt, die Richter sind wirklich unabhängig. Doch gerade daran gibt es berechtigte Zweifel: Unlängst ließ sich Chávez nämlich vom Parlament Sondervollmachten genehmigen, dadurch ist in Venezuela die Gewaltenteilung faktisch aufgehoben. Der Präsident regiert durch Dekrete. [2] Für undemokratisches Handeln gibt es keine Rechtfertigung - egal ob von links oder rechts, egal ob hier oder andernorts. Die Menschenrechte, wozu Presse- und Meinungsfreiheit gehören, sind bekanntlich unteilbar.

"Laut der Studie ist der Prozentsatz der BürgerInnen, die mit der Demokratie in ihrem Land zufrieden sind, seit 1998 - der erstmaligen Wahl Hugo Chávez‘ - in keinem anderen lateinamerikanischen Land stärker gestiegen als in Venezuela (von 32 auf 57 Prozent). Auch das zeitlich befristete Regieren per Dekret wird wohl nichts an diesen Werten ändern. Chávez wird voraussichtlich nichts beschließen, was nicht sowieso eine Mehrheit hätte", heißt es demgegenüber auf der Website der Lateinamerika-Nachrichten. Und manche Blogger plappern das bedauerlicherweise kritiklos nach.

In meinen Augen ist das ein bisschen naiv. Der gute Hugo wäre dann wohl der erste Politiker der Weltgeschichte, der solche Machtbefugnisse nicht missbrauchen würde. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! Was aus der Weltgeschichte zu lernen ist: Macht braucht Kontrolle - durch Institutionen (Gewaltenteilung) und ungehemmte Presse- und Meinungsfreiheit (Rosa Luxemburg). Alles andere führte bislang noch jedesmal zu Machtmissbrauch und undemokratischem Verhalten. Insofern muss man die Vorgänge in Venezuela durchaus kritisch bewerten. Der deutschsprachigen Presse Desinformation vorzuwerfen, ist daher absolut unangebracht. Im Gegenteil, insbesondere Blogger sollten in Bezug auf die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit äußerst sensibel reagieren. Die Erfahrung lehrt uns, dass sich die staatliche Repression in autoritären Ländern auch auf das Internet erstreckt, dafür gibt es zahlreiche Beispiele (Ägypten, China, Iran etc.). Insofern müsste es vielmehr heißen: Wehret den Anfängen!

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[1] Süddeutsche vom 28.05.2007 und derStandard vom 30.05.2007 bzw. Mein-Parteibuch vom 29.05.2007 und Politblog vom 29.05.2007
[2] siehe hierzu Das Dilemma der Linken vom 19.03.2007