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01. Juni 2007, von Michael Schöfer
Demoskopie - eine Wissenschaft für sich


Politiker sind heutzutage ohne die Demoskopie gar nicht mehr denkbar. Wie das Kaninchen auf die Schlange starren sie auf die Umfrageergebnisse der Meinungsforschungsinstitute. Doch was sind diese Wert? Eine Woche vor den letzten Bundestagswahlen am 18.09.2005 ermittelten die Institute für die Union im Durchschnitt noch 41,6 Prozent - bei der Wahl gingen CDU und CSU dann aber bekanntlich mit 35,2 Prozent über die Ziellinie. Das war eine Abweichung von 6,4 Prozentpunkten. Den geringsten Unterschied gab es bei "Die Linke.PDS", hier differierten Prognose und Wahlergebnis um lediglich 0,8 Prozentpunkte. [1]

Doch das Ratespiel geht munter weiter. Bei den Politikern liegen Hoffen und Bangen nah beieinander, dafür liegen die Umfrageergebnisse um so weiter auseinander. Nehmen wir beispielsweise das Spiegel-Online-Umfrage-Barometer. Am 30.05.2007 wurden die Forsa-Umfrageergebnisse veröffentlicht: 36 Prozent für die Union, 26 Prozent für die SPD, 12 Prozent für Die Linke.PDS, 11 Prozent für die Grünen und 10 Prozent für die FDP.

Einen Tag später trudelten die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen ein: 39 Prozent für die Union, 31 Prozent für die SPD, 9 Prozent für Die Linke.PDS, 8 Prozent für die Grünen und ebenfalls 8 Prozent für die FDP. [2]


Forsa
(30.05.2007)
FG Wahlen
(01.06.2007)
Differenz
CDU/CSU 36 % 39 % 3 %
SPD 26 % 31 % 5 %
Die Linke.PDS 12 % 9 % 3 %
Die Grünen 11 % 8 % 3 %
FDP 10 % 8 % 2 %

Natürlich will ich keinem Institut zu nahe treten, aber irgendetwas kann hier nicht stimmen, das sieht man auf den ersten Blick.

Trotzdem reagiert die Presse jedes Mal mit aufgeregten Schlagzeilen, so als wären diese stark voneinander abweichenden Umfrageergebnisse tatsächlich relevant. "Aufwind für die Linkspartei" titelte etwa der Spiegel am 30. Mai, einen Tag später lautete die Schlagzeile indes "Deutsche schwenken zu Schwarz-Gelb". [3] Auffallend ist: Das Umfrageergebnis der SPD war beim zweiten Artikel 5 Prozentpunkte besser (!) als am Tag zuvor, dennoch schrieb die Redaktion "SPD im Tief". Hat der Spiegel nicht gemerkt, dass die SPD vorher noch viel tiefer lag? Und würde er solche Umfragen wirklich ernst nehmen, hätte die Schlagzeile am 1. Juni dann nicht vielmehr lauten müssen "SPD im Aufwind", schließlich haben die Sozis von einem Tag zum anderen scheinbar kräftig zugelegt?

Demoskopie ist halt eine Wissenschaft für sich. Ein Magazin machen offensichtlich ebenso. Aber was die Forschungsinstitute auch immer an Umfrageergebnissen präsentieren, aussagekräftig sind allein Wahlen. Vielleicht wäre der Politikbetrieb nicht so hektisch, wenn Politiker gegenüber den volatilen Prognosen eine größere Gelassenheit an den Tag legen würden.

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[1] Wahlrecht.de
[2] Spiegel-Online vom 01.06.2007
[3] Spiegel-Online vom 30.05.2007 und 01.06.2007