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10. Juli 2007, von Michael Schöfer
SPD rutscht immer weiter ab


Die Umfrageergebnisse für die SPD sind verheerend, nach den aktuellen Erhebungen dümpelt sie momentan irgendwo zwischen 24 (Forsa) und 28 Prozent (Infratest dimap) herum. [1] Ob es am eher behäbig wirkenden Parteivorsitzenden liegt? Nicht nur, denn zumindest in Rheinland-Pfalz hat Kurt Beck gezeigt, dass er das Wahlvolk durchaus zu begeistern weiß. Obgleich das wiederum, bekanntlich war Rudolf Scharping dort seinerzeit ähnlich populär, nicht viel zu bedeuten hat. Wahrscheinlich liegt es am nach wie vor negativen sozialen Image der Partei. "Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat den anhaltenden Aufschwung als einen Erfolg der SPD gewertet und ihn als 'das dritte deutsche Wirtschaftswunder' bezeichnet. (...) Dank der unter Bundeskanzler Gerhard Schröder entwickelten Agenda 2010 seien eine Million neue Arbeitsplätze entstanden." [2] Doch diese positive Einschätzung wird von der Mehrheit der Bundesbürger keineswegs geteilt.

Eine Umfrage von Infratest dimap für die ARD brachte folgendes Ergebnis:




Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger haben den Eindruck, der Aufschwung gehe an ihnen vorbei. Und von denen, die glauben, von ihm zu profitieren, sind die meisten im Bereich der Besserverdienenden zu finden. [3] Das spiegelt die Politik der Bundesregierung wider: Einerseits werden die Verbrauchssteuern massiv angehoben, andererseits die Unternehmensbesteuerung abermals kräftig gesenkt. Die Bürger haben zudem mit stark steigenden Kosten zu kämpfen, insbesondere auf dem Energiesektor. Klein- und Durchschnittsverdiener, die traditionelle Klientel der SPD, fühlen sich somit nach wie vor von der Politik alleingelassen. Und das, wenn man die Fakten berücksichtigt, zu Recht. Das Trauerspiel um den Mindestlohn [4] kommt zu alledem noch hinzu. In die Zange genommen von einer auf dem internationalen Parkett erfolgreichen Kanzlerin und einer überraschend starken Linkspartei, agiert die SPD größtenteils ziel- und kraftlos. Kein Wunder, wenn sie bei Umfragen nicht aus dem Keller kommt. Krampfhafte Versuche, den Aufschwung für sich zu reklamieren, sind offenkundig nutzlos.

Vor allem, weil darüber das letzte Wort auch noch nicht gesprochen ist. Der Wirtschaft geht es zweifellos gut. Dies ist allerdings keine Neuigkeit, schließlich sind wir seit Jahren Exportweltmeister. Neu ist, dass sich die Exporterfolge erstmals am Arbeitsmarkt auszuwirken scheinen. Doch ob sich an der bislang lahmenden Binnenkonjunktur wirklich etwas grundlegend ändert, ist fraglich. "Die frische Konjunkturbrise hat vielen Einzelhändlern noch nicht die erhoffte Belebung der flauen Geschäfte gebracht. Im ersten Halbjahr sei der Umsatz nominal um weniger als ein halbes Prozent gestiegen, berichtete der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Josef Sanktjohanser. Fürs Gesamtjahr erwartet die Branche einen Zuwachs von einem Prozent. Preisbereinigt entspreche das einem Minus." [5] Der Autoindustrie geht es ebenso: "Im ersten Halbjahr brach der Inlandsverkauf von Pkw um neun Prozent auf knapp 1,6 Millionen Fahrzeuge ein. Dies ist nur noch zum Teil mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer Anfang 2007 zu erklären, die zu vorgezogenen Autokäufen Ende 2006 geführt hatte." [6] Der Aufschwung, an dessen Substanz (Stichwort: Lohnquote, Kaufkraft) gezweifelt werden darf, könnte sich bei einer Krise der Weltkonjunktur schnell als Seifenblase entpuppen.

Außerdem ist dem Wahlvolk immer noch unplausibel, auf welche Weise die Agenda 2010 angeblich Arbeitsplätze erzeugt hat. Stellen Unternehmer wirklich wieder mehr ein, bloß weil man die Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe auf dem Niveau von letzterem zusammengelegt hat? Wohl kaum. Genau das, womit die SPD punkten will, wird also stark in Zweifel gezogen. Obendrein hat Hartz IV nichts von seinem Drohpotenzial auf die Arbeitnehmer eingebüßt, die Mittelschicht leidet unter anhaltenden Abstiegsängsten. Die Agenda 2010 hat daher einen negativen Touch, den die SPD trotz dagegengerichteter Parteipropaganda nicht mehr los wird.

In der Politik geht es ständig auf und ab - heute verdammt, morgen bejubelt. Insofern ist die Lage der SPD nicht hoffnungslos. Aber sie wird für einen Anstieg in der Wählergunst mehr machen müssen, als sie bis dato getan hat. Speziell im sozialen Bereich hat sie enorme Defizite, die es zu beseitigen gilt. Ob das freilich mit dem vorhandenen Personal umzusetzen ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch hier war das Angebot nämlich schon einmal deutlich besser.

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[1] wahlrecht.de
[2] wiwo.de vom 07.07.2007
[3] tagesschau.de, ARD-Deutschlandtrend Juli 2007
[4] siehe: SPD stimmt gegen eigenen Antrag vom 15.06.2007
[5] Frankfurter Rundschau vom 29.06.2007
[6] Frankfurter Rundschau vom 04.07.2007