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| Impressum 08. Dezember 2006, von Michael Schöfer Die Türkei fair behandeln In der Frage, ob die Türkei Mitglied in der EU werden soll, sind die Meinungen gespalten, schon die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen war heftig umstritten. Momentan wird erwogen, die Verhandlungen auf Eis zu legen, weil die Türkei ihre Häfen und den Luftraum für zypriotische Schiffe und Flugzeuge verschlossen hält. Natürlich kann die Türkei keinesfalls mit der EU über den Beitritt verhandeln und gleichzeitig einem EU-Mitglied (der Republik Zypern) die Anerkennung verweigern. Zweifellos darf sie Nordzypern nicht länger völkerrechtswidrig besetzt halten. Und selbstverständlich ist die Türkei noch weit von den rechtsstaatlichen Standards der EU-Mitgliedstaaten entfernt. Mit anderen Worten: Die Demokratie in der Türkei ist ein zartes Pflänzchen, das gehegt und gepflegt werden will. Gleichwohl bekommt man langsam den Eindruck, daß der Streit um die Ausweitung der Zollunion für manche nur ein willkommener Vorwand ist, die Türken außen vor zu lassen. Ob die Türkei je Mitglied in der EU werden kann, ist unsicher. Aber diese Frage wird ohnehin erst in 10 oder 15 Jahren auf der Tagesordnung stehen. Bis dahin sollte man die Türkei wenigstens fair behandeln und ihr eine echte Chance geben, sich reif für die Mitgliedschaft zu erweisen. Wer die Türkei unabhängig davon sowieso draußen haben will, soll es offen sagen. Ehrlicherweise müßte die EU zugeben, daß die Teilung Zyperns und die damit zusammenhängende Anerkennung längst gelöst wäre, wenn nicht die griechischen Zyprioten vor zwei Jahren den sogenannten Annan-Plan der Vereinten Nationen abgelehnt hätten. Die türkischen Zyprioten haben dem Plan dagegen mit Mehrheit zugestimmt. Von daher ist die Haltung der türkischen Regierung, die EU solle die Isolation der türkischen Zyprioten beenden, durchaus verständlich. Es wäre in der Tat ein Treppenwitz der Geschichte, den türkischen Nordteil zu bestrafen, weil sich der griechische Südteil politisch verweigert hat. Mittlerweile haben beide Seiten, die EU und die Türkei, innenpolitisch viel Prestige zu verlieren. Die Angelegenheit ist emotional überfrachtet und keiner will das Gesicht verlieren. Das Kompromißangebot der Türkei, der Republik Zypern zunächst einen Hafen und einen Flughafen zu öffnen, könnte freilich den Gordischen Knoten auflösen. Die EU sagt, das sei nicht ausreichend, doch auf dem Weg zum Ziel gibt es immer einen ersten Schritt. Mit ihm wird das Ziel zwar nicht erreicht, aber man nähert sich dem Ziel zumindest an. Immerhin ein Fortschritt, den man meiner Meinung nach nutzen sollte. |