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05. April 2007, von Michael Schöfer
Blindes Vertrauen


"In einer Bürgergesellschaft können Private oft vieles besser und effektiver als der Staat." So (oder so ähnlich) wird seit langem von interessierter Seite für den Rückzug des Staates geworben, denn angeblich sind Märkte und die darin agierenden Protagonisten wesentlich effektiver als staatliche Lösungskonzepte. Das erleben wir gegenwärtig beispielsweise bei der Diskussion um den gesetzlichen Mindestlohn, der immer wiederkehrenden Klage über die Verschwendung von Steuergeldern und selbstverständlich auch in Bezug auf die Umweltpolitik. Dabei ist die Grundaussage, dass Private "oft vieles besser und effektiver können als der Staat", schlicht und ergreifend falsch. Weder neigt der Staat per se zu Effektivitätsverlusten noch ist das Handeln von Privaten von vornherein effektiver. Natürlich gibt es die vielbeschworene Verschwendung von Steuergeldern, wer würde das ernsthaft bestreiten. Aber bei den Privaten kommt es ebenfalls nicht selten zu Misswirtschaft. Und das partielle Versagen von Märkten, etwa im Sozialbereich oder in puncto Ökologie, ist doch im Grunde offensichtlich.
  • Beispiel 1: Vor neun Jahren begeisterte Jürgen Schrempp viele mit seiner Vision von der "Welt AG". Heute steht die Ehe von DaimlerChrysler kurz vor der Scheidung, das Debakel verursachte Verluste in Milliardenhöhe. Können Private wirklich oft vieles besser und effektiver als der Staat? Nicht immer, wie man sieht.
  • Beispiel 2: Würde man den Märkten einfach freien Lauf lassen, käme es nie zu der dringend notwendigen Reduktion von Treibhausgasen. So ist im vergangenen Jahr der CO2-Ausstoß in Deutschland um 5,1 Millionen Tonnen oder 0,6 Prozent gestiegen. Schlimm genug. Gäbe es keinerlei staatliche Vorgaben, wäre der Ausstoß gewiss um ein Vielfaches höher. Hier versagt also der Markt, Eingriffe des Staates sind demzufolge unerlässlich
Ideologien sind stets einseitig und pauschal. Wer vom Staat alles Heil der Welt erwartet, liegt genauso falsch wie der, der dies von den Märkten propagiert. Die Wahrheit liegt bekanntlich oft in der Mitte. Blindes Vertrauen ist daher weder in der einen noch in der anderen Richtung ratsam.