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17. Juli 2007, von Michael Schöfer
Nationaler Ethikrat revidiert seine Meinung


"Wenn Ethik und Verfassung gegen die Forschung unter Verwendung menschlicher Embryonen sprechen, dürfen wirtschaftliche Gesichtspunkte keine Rolle spielen", urteilte der Nationale Ethikrat im Jahr 2001 in seiner Stellungnahme "Zum Import menschlicher embryonaler Stammzellen". [1] Nun will der Ethikrat die Forschung mit Stammzellen erleichtern: "Die deutsche Forschung gerät hoffnungslos ins Abseits, wenn es bei der derzeitigen Regelung bleibt", sagte der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier bei der Vorstellung des neuen Votums "Zur Frage einer Änderung des Stammzellgesetzes". [2] Letztlich spielen wirtschaftliche Gesichtspunkt also doch eine Rolle, denn von den Ergebnissen der Forschung im Ausland könnte man, wenn der Gesetzgeber alles beim Alten ließe, trotzdem profitieren - Deutschland müsste bloß dafür bezahlen. Aber das schien der Mehrheit des Ethikrates offenbar widersinnig, d.h. unwirtschaftlich.

Zur Recht, wie ich meine. Im Gegensatz zum Ethikrat sehe ich in einem Embryo ohnehin keinen ethisch besonders schützenswerten Zellverband. Zumal nie beabsichtigt war, Embryos eigens für die Stammzellenforschung zu erzeugen. Darüber hinaus bewerte ich die Vorteile, die aus der Stammzellenforschung resultieren könnten, als so erstrebenswert, dass ich die Einschränkungen, die das Stammzellengesetz vom 28.06.2002 gemacht hat, sowieso nicht nachvollziehen konnte. Schon damals wurde vor den negativen Auswirkungen auf die Forschung gewarnt, darauf gehört haben die Parlamentarier allerdings nicht.

Es ist sicherlich sinnvoll, die Konsequenzen gesellschaftlichen Handelns durch einen Nationalen Ethikrat prüfen zu lassen, der der Politik Ratschläge erteilt. Nicht alles, was möglich ist, sollte auch gemacht werden. Eine Gesellschaft muss auswählen, welchen Weg sie gehen will. Und gewiss hat es sich der Nationale Ethikrat in Bezug auf die Stammzellenforschung nicht leicht gemacht. Insofern spricht nichts gegen dessen Einrichtung als solchem, obgleich man die dort getroffenen Übereinkünfte keineswegs teilen muss. Wenn sich indes innerhalb von sechs Jahren die ethischen Standpunkte des Ethikrats derart wandeln, ist schon ein kleines Fragezeichen angebracht. Es drängt sich nämlich die Frage auf, ob er seinerzeit zu dogmatisch war oder heute einfach nur inkonsequent ist. Beides ist für das Ansehen des Nationalen Ethikrats wenig förderlich.

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[1] Nationaler Ethikrat, Stellungnahme Stammzellimport
[2] Frankfurter Rundschau vom 17.07.2007 und Nationaler Ethikrat, Nationaler Ethikrat, Stellungnahme Stammzellimport