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18. August 2007, von Michael Schöfer
Billig ist woanders


Der Kapitalismus hat zuweilen seine schönen Seiten, beispielsweise in Form des KaDeWe (Kaufhaus des Westens). Kürzlich war ich zum ersten Mal dort. Insbesondere in der 6. Etage, in der Feinschmecker-Abteilung, wird man vom Angebot förmlich erschlagen. Die Vielfalt ist einfach phänomenal. Es gibt dort offenbar nichts, was es nicht gibt. Wenn in Deutschland ein Kaufhaus-Sortiment vollständig ist, dann das des KaDeWe. Es ist unbeschreiblich, man muss es selbst gesehen haben. Auch auf den anderen Etagen ist das Angebot überwältigend. Eine Armbanduhr für 22.000 Euro? Kein Problem! Alles zum Mitnehmen - Bonität vorausgesetzt. Dabei ist das KaDeWe nicht bloß ein überkandidelter Luxustempel, selbst Normalverdiener finden hier durchaus bezahlbare Sachen. Ich habe mich gefragt: Wenn es schon mich förmlich erschlägt, wie muss das KaDeWe dann erst 1989 - nach dem Mauerfall - auf die Ostdeutschen gewirkt haben? Manche bekamen bestimmt einen Kulturschock. Das Personal ist darüber hinaus äußerst freundlich und hilfsbereit, keineswegs dünkelhaft, wie man vielleicht annehmen könnte. Doch Ramsch findet sich dort nicht, billig ist woanders. Also keine Einkaufsadresse für Hartz IV-Bezieher, von denen es in Berlin ziemlich viele geben soll. Insofern ist das KaDeWe zugegebenermaßen ein bisschen dekadent. Kapitalistisch eben. Der Sozialismus, zumindest der Theorie nach, hat wohl ein KaDeWe für alle (!) Schichten der Bevölkerung zum Ziel gehabt. Schade, dass es dafür in der Praxis nicht gereicht hat. Doch das ist eine ganz andere Diskussion.

Für Berlin-Reisende noch einen kleinen Tipp: Wenn Sie gut essen wollen, dann besuchen Sie doch die Kaffeestube im Nikolaiviertel, direkt hinter der Berliner Nikolaikirche gelegen. Dort habe ich die besten Bratkartoffeln meines Lebens gegessen. Und erst die Kellnerin - eine echte "Berliner Schnauze" (das ist ein Kompliment). Ich kann die Kaffeestube nur wärmstens empfehlen. Viel besser als etliche Touri-Tempel. Der Spruch des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) gilt tatsächlich: "Berlin ist arm, aber sexy." Es war bestimmt nicht mein letzter Berlin-Besuch.