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13. August 2007, von Michael Schöfer
Von der Kirche lernen...


...heißt siegen lernen. Es gibt da einen Verein, bei dem wird man meist im zarten Alter von einer Woche Mitglied. Zwangsweise, denn gefragt werden die Neumitglieder nicht, obgleich manche heftig protestieren ("Äbähhh...."). Das hat natürlich seinen tieferen Sinn. Jetzt denken Sie vielleicht an die Erbsünde (den schwarzen Fleck auf der Seele) und ähnliche Kuriositäten. Völlig falsch, denn in Wahrheit geht es bloß um die Kirchensteuer. Warum bieten Banken Jugendlichen bereitwillig ein kostenloses Girokonto an? Na klar, weil diese später als Erwachsene happige Kontoführungsgebühren bezahlen. Erfahrungsgemäß wechselt nämlich im Erwachsenenalter nur eine Minderheit zu einem anderen Geldinstitut. Deshalb erzählt uns die Kirche gerne etwas von der Erbsünde, die freilich nur durch die Taufe (= Mitgliedschaft im Verein) rückstandslos verschwindet. "Neu?" "Nein, mit dem heiligen Sakrament gewaschen!" Und wie bei den Banken sagt auch bei der Kirche hinterher nur eine Minderheit dem Verein wieder ade.

Das hat auf Barbara Hendricks, die designierte SPD-Schatzmeisterin, offenbar mächtig Eindruck gemacht. "Angesichts der Mitgliederverluste der Volksparteien" hat sie gefordert, "sinkende Beitragseinnahmen durch höhere Staatszuschüsse auszugleichen". [1] Sozusagen eine Volksparteiensteuer. Auf den Gedanken, sinkende Mitgliederzahlen und starker Wählerschwund könnten etwas mit der miserablen Politik der Volksparteien zu tun haben, ist sie anscheinend nicht gekommen. Warum dann nicht gleich eine Zwangsmitgliedschaft? Frei nach dem Motto: Wer als Baby Mitglied wird, verliert das Hartz IV-Brandzeichen auf der Seele und muss sich nicht als Ein-Euro-Jobber durchs Leben schlagen. Allen Rechtgläubigen winkt das Paradies: eine Festanstellung (ich persönlich bevorzuge ja die 72 Jungfrauen, die die Islamisten ihren Märtyrern versprechen). Das wäre mal etwas Neues - und die Volksparteien wären alle Geldsorgen für immer los, denn Dumme gibt’s ja genug. Einst gab es in der SPD ein Triumphirat (Schröder, Scharping, Lafontaine), von da ist es bis zur Trinität nicht mehr allzu weit. Wie Sie sehen, die Idee von Hendricks ist ausbaufähig.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 13.08.2007