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| Impressum 28. November 2007, von Michael Schöfer Zahlen wir jetzt die Zeche? Der Exportweltmeister Deutschland kommt womöglich gehörig ins Straucheln, die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen für das nächste Jahr bereits nach unten korrigiert. Offizielle Begründung: a) die Hypothekenkrise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt b) die anhaltende Schwäche des US-Dollars c) der rasant steigende Ölpreis In Bezug auf die Hypothekenkrise liege, so behaupten manche mit bangem Blick auf den Immobilienmarkt der USA, die schlimmste Zeit noch vor uns. Im kommenden Jahr sollen Kredite in Höhe von 362 Mrd. Dollar (245 Mrd. Euro) durch die Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern bedroht sein. Schätzungen zufolge wurden dort allein in diesem Jahr 1,35 Mio. Häuser zwangsvollstreckt, 2008 sollen es jedoch 1,44 Mio. sein. Grund: Schon heute absehbare Zinserhöhungen bei den zweitklassigen Krediten (subprime). [1] Die Banken sind an der Pleite ihrer Kunden selbst schuld: "Kein Einkommen, keine Arbeit, kein Geld - kein Problem! Vor allem in sozial schwachen Vierteln wie Washingtons East Side stehen noch immer riesige Reklametafeln: 'Nicht kreditwürdig? Rufen Sie an!' Oder: 'Wir machen es leicht - Kredite für Hausbesitzer mit Zahlungsproblemen.' (...) Das Schema sei immer das selbe: Für einen kurzen Zeitraum würden niedrige Bauzinsen festgeschrieben. Im Kleingedruckten steht dann, dass die Bank danach einen Aufschlag erhebt, oft bis fünf Prozent (...). In der Folge explodieren die Raten, selbst wenn die Zinsen niedrig bleiben. Diese Hypotheken erwürgen den Hausbesitzer in wenigen Jahren." [2] Mit anderen Worten: Die Kundschaft wurde sehenden Auges in den Ruin getrieben. Alles in allem schätzt man das Volumen der wackeligen Kredite auf 500 Mrd. US-Dollar (339 Mrd. Euro). [3] Dies könne eine veritable Wirtschaftskrise nach sich ziehen, heißt es. Und das nicht nur in den USA, sondern global. Skeptiker halten den Wechselkurs des US-Dollar ohnehin schon seit langem für überbewertet, was freilich der Exportnation Deutschland bislang enorm geholfen hat. Das doppelte Defizit der Vereinigten Staaten (Haushalt und Handelsbilanz) erfordert eigentlich zwingend eine Korrektur nach unten, denn im Grunde leben die Amerikaner über ihre Verhältnisse. Am 31. Oktober 2007 betrugen die kumulierten Schulden der öffentlichen Haushalte 9.079 Mrd. Dollar (6.155 Mrd. Euro) und hatten damit am Bruttoinlandsprodukt (2006: 13.487 Mrd. Dollar = 9.143 Mrd. Euro) einen Anteil von 67 Prozent. [4] Ein Wert, der sich vom deutschen (67,5 Prozent) praktisch nicht unterscheidet. Was indes erhebliche Sorgen bereitet, ist das chronische Defizit der amerikanischen Handelsbilanz. ![]()
![]() Der hohe Ölpreis von nahezu 100 Dollar pro Barrel wirkt diesbezüglich ebenfalls kontraproduktiv. Jetzt rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit, man hätte eben schon vor 30 Jahren, spätestens nach der Veröffentlichung der Studie des Club of Rome (Grenzen des Wachstums, 1972), eine "Weg-vom-Öl"-Strategie verfolgen und sich den erneuerbaren Energien hinwenden müssen (Ökologen galten damals noch als naive Spinner). Was unternommen wurde, kam zu spät und war nicht ausreichend. Angesichts der starken Energienachfrage der Emerging Markets wird der Ölpreis wohl kaum auf den alten Stand zurückfallen, den bis vor vier Jahren hatte (zwischen 20 und 30 $ pro Barrel). Im Gegenteil, er könnte sogar noch steigen. ![]()
![]() Die Politik verfolgt seit etlichen Jahren einen wirtschaftspolitischen Kurs, der überwiegend auf den Export setzt. Warnungen, man sei hierdurch für politische oder ökonomische Krisen außerordentlich anfällig, wurden in den Wind geschlagen. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein - bis zur aktuellen Subprime-Krise, dem anhaltenden Dollar-Verfall und dem Ölpreis-Schock. Zahlen wir dafür jetzt die Zeche? Falls der Export wirklich zu lahmen beginnt, wird es ziemlich kalt in Deutschland. Was das für den sich gerade erholenden Arbeitsmarkt bedeutet, ist nicht schwer zu erraten. Die zu einem Gutteil im Niedriglohnsektor neu geschaffenen Jobs, über die sich die Bundesregierung heute freut, sind dann vermutlich schnell perdu (die Zahl der Arbeitnehmer, die über der Geringfügigkeitsgrenze von 400 Euro liegen und zusätzlich zu ihrem Einkommen ALG II beziehen, ist trotz zurückgehender Arbeitslosigkeit von 388.000 im Juni 2005 auf 528.000 im Mai 2007 gestiegen). [10] "Der Aufschwung kommt bei den Menschen an", behauptet Bundeskanzlerin Angela Merkel. Warten wir es ab. Eines ist jedenfalls gewiss: Der Abschwung, so er sich denn tatsächlich einstellt, wird sie voll treffen. ---------- [1] Frankfurter Rundschau vom 26.11.2007, allen Umrechnungen in Euro liegt der Wechselkurs vom 28.11.2007 - 1 $ = 0,6779 € - zugrunde, Yahoo-Währungsrechner [2] Frankfurter Rundschau vom 30.08.2007 [3] Frankfurter Rundschau vom 17.11.2007 [4]Quelle für öffentliche Schulden der USA: MONTHLY STATEMENT OF THE PUBLIC DEBT OF THE UNITED STATES, Oktober 2007, PDF-Datei mit 109 kb / Quelle für das BIP der USA: Wikipedia, USA [5] US Census Bureau, Foreign Trade Statistics, txt-Datei mit 10 kb [6] Stephan Schulmeister, Austrian Institute of Economic Research (WIFO), Wirtschaftspolitik und Finanzinstabilität als Ursachen der unterschiedlichen Wachstumsdynamik in den USA und Europa, PDF-Datei mit 187 kb [7] VDA [8] Spiegel-Online vom 28.11.2007 [9] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Statistisches Taschenbuch 2007, Arbeits- und Sozialstatistik, Tabelle 1.15, Excel-Datei mit 54 kb [10] Arbeitsmarkt 2005, Seite 78, PDF-Datei mit 3,9 MB und Arbeitsmarktbericht Oktober 2007, Seite 10, PDF-Datei mit 728 kb |