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09. Januar 2008, von Michael Schöfer
Preisanstieg an den Zapfsäulen nicht erklärbar


Anfang 2007 betrug der Durchschnittspreis für einen Liter Superbenzin nach Angaben von Aral 123,2 Cent und erreichte im November mit 141,7 Cent seinen Jahreshöchststand (= ein Plus von 15 Prozent). Der Durchschnittspreis für Diesel stieg im gleichen Zeitraum von 108,1 Cent auf 131,4 Cent (= ein Plus von 21,6 Prozent). "Die Entwicklung der Benzin- und Dieselpreise verlief weitgehend analog zu den Rohöl- und Produktpreisen in Rotterdam: Von etwa 55 US-Dollar je Barrel (rund 159 Liter) im Monatsdurchschnitt des Januar stieg der Rohölpreis auf 93 US-Dollar im November", entschuldigt sich der Mineralölkonzern für den extremen Preisanstieg an den Zapfsäulen. [1] Anfang 2008 bewegten sich die Preise fast wieder auf dem Niveau vom November 2007, in der 1. Kalenderwoche musste man für Super 140 Cent und für Diesel 129 Cent bezahlen. [2]

Kein Zweifel, der Rohölpreis steigt. Von daher scheinen die höheren Kraftstoffpreise an den Tankstellen plausibel zu sein. Aber stimmt das wirklich? In Wahrheit sind sie nur auf den ersten Blick einleuchtend, denn gleichzeitig mit dem Anstieg des Rohölpreises ist der Wert des US-Dollar gegenüber dem Euro drastisch gesunken (Öl wird auf dem internationalen Rohölmarkt stets in Dollar bezahlt). So meldet beispielsweise Wintershall, dass Deutschland im Jahr 2007 trotz Preisrekord beim Rohöl weniger (!) für seine Ölrechnung bezahlt hat als im Jahr zuvor. Rund 41 Mrd. Euro kosteten die Einfuhren 2007, 2006 waren es noch eine halbe Milliarde mehr. An einem drastischen Rückgang der Einfuhrmenge kann es nicht gelegen haben, denn die ist im Vergleich zu 2006 bloß um 2,5 Prozent auf 106,7 Mio. Tonnen gesunken. [3]





Der Höhenflug des Euro hat den stark gestiegenen Rohölpreis vollständig kompensiert. Von daher müssten die Autofahrer heute an den Zapfsäulen nicht 15 bzw. 21 Prozent mehr zahlen als im Januar 2007, sondern in etwa den gleichen Preis. Logisch: Die Einfuhrmenge ist leicht zurückgegangen. Was wir dafür (in Euro) bezahlt haben, ist ebenfalls leicht zurückgegangen.

Dennoch ist der Benzinpreis an den Tankstellen enorm gestiegen. Das passt nicht zusammen. Mit anderen Worten: Die Mineralölwirtschaft veräppelt die Menschen. Unter dem Deckmantel des Rohölpreisanstiegs werden offenbar riesige Gewinne eingefahren, und die Schuld daran schiebt man kurzerhand auf die Marktverhältnisse. Hauptsache, niemand schiebt sie auf die Gier der Manager und Aktionäre. Wetten, dass der Preisanstieg bei Strom und Gas genau besehen ähnlich unplausibel ist?

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[1] Aral, Pressemeldung vom 27.12.2007
[2] Mineralölwirtschaftsverband
[3] Wintershall, Trotz Preisrekord geringere Ausgaben für Ölimporte