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13. Januar 2008, von Michael Schöfer
Das Tatamobil


Der indische Fahrzeughersteller Tata Motors hat gerade den billigsten Kleinwagen der Welt vorgestellt. 1.700 Euro soll der "Nano" umgerechnet kosten - ein absolut konkurrenzloses Angebot. Der indische Volkswagen ist mit einem 33 PS starken 623-ccm-Zweizylindermotor ausgestattet und verbraucht angeblich weniger als vier Liter auf 100 km (etwa 97 Gramm CO2 je Kilometer). Die Ausrüstung der Basisversion des Nano ist spartanisch: Klimaanlage, Heizung, Servolenkung, Airbags und elektrische Fensterheber fehlen. Auto pur sozusagen. Nur etwas, um von A nach B zu kommen. Der Import nach Westeuropa ist derzeit nicht vorgesehen und könnte eventuell an mangelnder Sicherheit scheitern. Für Schwellenländer ist der Nano jedoch ein äußerst attraktives Angebot, dort wird er den etablierten Automobilherstellern gewiss mächtig Konkurrenz machen.

Ob das Tatamobil je in Deutschland zu haben sein wird, steht also in den Sternen. Allerdings muss sich die Automobilindustrie auch hierzulande um den Absatz ihrer Fahrzeuge sorgen. Autos sind mehr als Fortbewegungsmittel, deshalb stellt der Preis selbstverständlich nicht das einzige Kaufkriterium dar. In Deutschland ist das preiswerteste Neuwagenangebot der Dacia Logan, der ab 7.200 Euro zu haben ist. Noch spielt das Billigsegment eine vergleichsweise kleine Rolle, nur vier Prozent der Neuwagen werden in der Klasse bis 10.000 Euro verkauft. Dennoch sollte die Automobilindustrie das Billigsegment keinesfalls vernachlässigen, denn es hat Zukunft.

Der durchschnittlich bezahlte Neuwagenpreis stieg zwischen 1999 und 2007 von 19.120 Euro auf 24.835 Euro (ein Plus von 29,9 Prozent).

Durchschnittlich bezahlter Neuwagenpreis (in Euro) [1]
1999 19.120 €
2000 20.045
2001 21.165
2002 21.930
2003 22.360
2004 24.090
2005 23.880
2006 24.480
2007 24.835


Viele können sich freilich solche Preise einfach nicht mehr erlauben, denn die Nettorealverdienste je Arbeitnehmer sind seit der Wiedervereinigung um 5,2 Prozent gesunken. [2]



Die Automobilindustrie spürt das mittlerweile, denn die PKW-Neuzulassungen sanken seit 1999 um happige 17,2 Prozent.

PKW-Neuzulassungen in Deutschland [3]
1999 3.802.176
2000 3.378.343
2001 3.341.718
2002 3.252.898
2003 3.236.938
2004 3.266.826
2005 3.342.122
2006 3.467.961
2007 3.148.163


Lange wird der Spagat aus steigenden Preisen und sinkenden Reallöhnen nicht mehr gutgehen.

So fristet zwar der Dacia Logan mit 2,1 Prozent Marktanteil noch ein Mauerblümchendasein, seine Zulassungen sind indes im vorigen Jahr um beachtliche 175,1 Prozent gestiegen. Ein Alarmsignal für die hochpreisige deutsche Automobilindustrie. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass sie einen Trend verschläft und dadurch in große Schwierigkeiten gerät.

Preiswert und möglichst umweltfreundlich müssen die Autos der Zukunft sein. Wenn sich die deutsche Automobilindustrie weiterhin auf die Emotionalität (größer, stärker, schneller) beim Autokauf verlässt, findet sie sich vielleicht schon bald in einer Sackgasse wieder. Angesichts sinkender Einkommen und einem wachsenden Umweltbewusstsein (Stichwort Klimawandel) könnten die Präferenzen des Autokäufers nämlich ganz schnell kippen. Noch ist es nicht soweit, aber die ersten Anzeichen sind bereits erkennbar.

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[1] 1999-2006: DAT-Report 2007, Seite 12, PDF-Datei mit 4,5 MB / 2007: Frankfurter Rundschau vom 07.01.2008
[2] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Statistisches Taschenbuch 2007, Arbeits- und Sozialstatistik, Tabelle 1.15, Excel-Datei mit 54 kb
[3] 1999-2006: Verband der Automobilindustrie / 2007: Kraftfahrtbundesamt, Statistische Mitteilungen, Neuzulassungen Dezember 2007, Seite 3, PDF-Datei mit 287 kb


Nachtrag (12.05.2008):
"Renault steigt in Markt für Billigautos ein", meldet die Financial Times Deutschland heute. "Renault werde in Indien künftig Autos zum Marktpreis von 1600 Euro bauen. (...) Dafür will der Konzern ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem indischen Autohersteller Bajaj Auto gründen." Und wo bleiben die deutschen Autohersteller? Wahrscheinlich verschlafen sie mal wieder einen Trend und rufen dann hilfesuchend nach dem Staat. Wie immer.