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20. Juni 2008, von Michael Schöfer
Riester-Rente lohnt immer...


...heißt es landauf, landab. Die staatliche Rente sei künftig nicht mehr hoch genug, um im Rentenalter den gewohnten Lebensstandard zu halten. Deshalb wird empfohlen, zusätzlich fürs Alter vorzusorgen. Privat, versteht sich. Eine immer wieder ins Spiel gebrachte Variante der Altersvorsorge ist die Riester-Rente. Dass die gesetzliche Rente nicht mehr ausreicht, ist nach den Kürzungsorgien und Nullrunden nicht weiter verwunderlich, schließlich muss man die Menschen irgendwie in die private Altersvorsorge drängen. Doch ob sich die Riester-Rente tatsächlich generell rechnet, ist fraglich. Das hängt nämlich von den Umständen ab, beispielsweise der Anzahl der Kinder.

Nun habe ich Anfang 2006 von einem Versicherungsvertreter einmal beispielhaft ausrechnen lassen, ob sich die Riester-Rente wirklich lohnt. Die können das ganz fix auf ihrem Notebook erledigen. Zugrundeliegende Annahmen: männlich, kinderlos, Bruttojahreseinkommen 27.000 Euro, 18 Jahre und zwei Monate bis zum Renteneintritt. Das Bruttojahreseinkommen entsprach dort, wo ich arbeite, beim Land Baden-Württemberg, dem durchschnittlichen Gehalt einer ledigen Bürokraft (Bundesangestelltentarif, Vergütungsgruppe VII, höchste Lebensaltersstufe). Das Durchschnittseinkommen lediger Arbeitnehmer war 2006 laut Bundesfinanzministerium fast genauso hoch (26.536 Euro). [1] Herausgekommen ist dabei Folgendes:

In den Jahren 2006 und 2007 wären 58 Euro als monatlich aufzuwendender Eigenbeitrag fällig geworden, ab dem Jahr 2008 wären es dann monatlich 77,17 Euro gewesen. Insgesamt hätte man also bis zum Rentenbeginn (am 01.03.2024) 16.362,98 Euro Eigenbeitrag geleistet, der Staat hätte 2.717,67 Euro als staatliche Zulage dazugegeben.

Jahr Eigenbeitrag staatliche Zulage Summe
2006 696,00 € 114,00 € 810,00 €
2007 696,00 € 114,00 € 810,00 €
2008 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2009 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2010 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2011 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2012 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2013 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2014 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2015 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2016 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2017 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2018 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2019 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2020 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2021 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2022 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
2023 926,04 € 154,00 € 1.080,04 €
Jan. + Febr. 2024 154,34 € 25,67 € 180,01 €
 
16.362,98 € 2.717,67 € 19.080,65 €

Und was hätte man als Rentner zu erwarten gehabt? Nun, die garantierte Rente aus den Eigenbeiträgen läge pro Monat bei 79,93 Euro, hinzu kämen 12,40 Euro aus den staatlichen Zulagen. Das sind zusammen 92,23 Euro. Der garantierte Rechnungszins beträgt lediglich 2,75 Prozent. Die Versicherungsgesellschaft zahlt noch eine Überschussbeteiligung, die allerdings nicht garantiert ist. Bei einer angenommenen Verzinsung von 4,10 Prozent würde man daher monatlich weitere 11,87 Euro bekommen. Das ist dann alles in allem eine monatliche Riester-Rente von 104,20 Euro. Bei einer Verzinsung der Überschussbeteiligung von - m.E. unrealistischen - 6,10 Prozent wären es 125,22 Euro. Selbstverständlich ist diese Rente in vollem Umfang zu versteuern (nachgelagerte Besteuerung).

Ein Mann, der um 1960 herum in Westdeutschland geboren wurde, hat im Durchschnitt eine Lebenserwartung von 75,5 Jahren und könnte somit seine Rente, vorausgesetzt er kann mit 65 in den Ruhestand gehen, 10,5 Jahre lang genießen. [2] Ist es wirklich ein gutes Geschäft, 18 Jahre lang jeden Monat einen Eigenbeitrag von durchschnittlich 75,06 Euro zu leisten, um dafür voraussichtlich 10,5 Jahre lang 104,20 Euro (brutto) zu erhalten? Wohl kaum.

Wer sein Geld langfristig bei der Bank anlegt, verfügt schließlich zu Beginn der Rente ebenfalls über ein hübsches Sümmchen, das obendrein Zinsen abwirft. Nehmen wir beispielsweise Tagesgeldkonten, meine Hausbank bietet dafür momentan 3,35 Prozent. Das sind nicht die besten Konditionen, comdirekt etwa gewährt in den ersten 6 Monaten 4,75 und danach 3,8 Prozent. Langfristige Anlagen werfen in der Regel noch mehr ab. Ich habe dennoch vorsichtig mit dem niedrigeren Zinssatz von 3,35 Prozent gerechnet. [3]

Jahr Guthaben
Vorjahr
Einzahlungen Zinsgutschriften neues Guthaben
am Jahresende
2006 0,00 € 696,00 € 12,63 € 708,63 €
2007 708,63 € 696,00 € 36,37 € 1.441,00 €
2008 1.441,00 € 926,04 € 65,08 € 2.432,12 €
2009 2.432,12 € 926,04 € 98,28 € 3.456,44 €
2010 3.456,44 € 926,04 € 132,59 € 4.515,07 €
2011 4.515,07 € 926,04 € 168,06 € 5.609,17 €
2012 5.609,17 € 926,04 € 204,71 € 6.739,92 €
2013 6.739,92 € 926,04 € 242,59 € 7.908,55 €
2014 7.908,55 € 926,04 € 281,74 € 9.116,33 €
2015 9.116,33 € 926,04 € 322,20 € 10.364,57 €
2016 10.364,57 € 926,04 € 364,02 € 11.654,63 €
2017 11.654,63 € 926,04 € 407,23 € 12.987,90 €
2018 12.987,90 € 926,04 € 451,90 € 14.365,84 €
2019 14.365,84 € 926,04 € 498,06 € 15.789,94 €
2020 15.789,94 € 926,04 € 545,77 € 17.261,75 €
2021 17.261,75 € 926,04 € 595,07 € 18.782,86 €
2022 18.782,86 € 926,04 € 646,03 € 20.354,93 €
2023 20.354,93 € 926,04 € 698,69 € 21.979,66 €
Jan. + Febr. 2024 21.979,66 € 154,34 € 123,37 € 22.257,37 €

Nach Ablauf der Ansparphase, die dem o.a. Zeitraum der Riester-Rente entspricht, würde man bei identischer Eigenleistung über ein Vermögen von 22.257,37 Euro verfügen. Dieses wiederum zu 3,35 Prozent angelegt, könnte man einen jährlichen Zinsertrag von 745,62 Euro einstreichen, was einer monatlichen Rendite von 62,14 Euro entspricht. Und das, jedenfalls nach jetzigem Recht, völlig steuerfrei, weil der Sparerfreibetrag für Unverheiratete 801,00 Euro beträgt. Ab 2009 müsste man für einen möglicherweise darüber hinausgehenden Zinsertrag 25 bis 28 Prozent Abgeltungssteuer entrichten. Außerdem ist ja noch der Kapitalstock selbst vorhanden, den man je nach Bedarf plündern oder erhalten kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Riester-Rente zumindest im vorliegenden Fall zwar ein bisschen höhere Erträge abwirft als ein konservativ gerechneter Banksparplan, aber natürlich auch etliche Nachteile mit sich bringt: nachgelagerte Besteuerung, festgelegte Auszahlung mindestens zu 70 Prozent als Leibrente, Abschlusskosten, keine Übertragbarkeit, Rückzahlung der Zulagen und Steuervorteile bei späterem Hauptwohnsitz im Ausland, unter bestimmten Umständen auch beim Tod des Versicherten. Alleinstehende sollten demzufolge genau die Vor- und Nachteile abwägen.

Etwas anders gilt, wenn Kinder vorhanden sind. In diesem Fall lohnt sich aus meiner Sicht der Abschluss der Riester-Rente allemal, weil der Staat eine vergleichsweise hohe Kinderzulage drauflegt (185 Euro bzw. 300 Euro für ab 2008 geborene Kinder). Hier ist die Riester-Rente im Vergleich zu einem Banksparplan, bei dem die Anzahl der Kinder unerheblich ist, deutlich attraktiver.

Gleichwohl muss man sich die Riester-Rente auch leisten können, angesichts sinkender Reallöhne kein leichtes Unterfangen. Nicht ohne Grund haben gegenwärtig nur etwa 30 Prozent der Berechtigten einen Riester-Renten-Vertrag abgeschlossen. Darüber hinaus ist der Weg, die gesetzliche Rentenversicherung bewusst zu schwächen und die Menschen aus Angst vor der Altersarmut in die Fänge der privaten Versicherungswirtschaft zu treiben, der grundlegend falsche Ansatz. Hauptnutznießer des Ganzen sind die Arbeitgeber, die bei den Beiträgen zur gesetzlichen Rente entlastet werden. Die Arbeitnehmer hingegen werden zusätzlich belastet. Aber das ist eine andere Baustelle, deren Erörterung den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würde.

Nachtrag (22.07.2008):
Unter Umständen hätte ich mir NACH Erreichen des Rentenalters eine etwas höhere Lebenserwartung zubilligen müssen, da in diesem Fall, sofern man also die Todesfälle VOR Erreichen des Rentenalters aus der Statistik eliminiert, ein paar Jährchen mehr zusammenkommen. Näheres unter Wer früh stirbt, zahlt drauf

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[1] Bundesfinanzministerium, Struktur der deutschen Steuerbelastung, PDF-Datei mit 413 kb
[2] Bundeszentrale für politische Bildung, Entwicklung der Lebenserwartung, PDF-Datei mit 25 kb
[3] mit Hilfe eines Internet-Zinsrechners bei www.zinsen-berechnen.de