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27. Juni 2008, von Michael Schöfer
Mit Marktmechanismen gegen Terrorismus und Drogen-Mafia


Der Ölpreis klettert momentan von Rekordhoch zu Rekordhoch. Steigender Verbrauch trifft auf stagnierende Förderung, was die Preise nach oben treibt. Das ist lediglich das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sozusagen das Naturgesetz des Kapitalismus. Niemand, außer vielleicht den Förderländern selbst, käme auf die hirnrissige Idee, in dieser prekären Situation reihenweise Bohrtürme über den Erdölfeldern stillzulegen. Resultat wäre nämlich ein noch geringeres Angebot, was logischerweise die Preise abermals in die Höhe schießen ließe. Mit der halben Fördermenge den gleichen Ertrag erzielen, wäre für die Ölförderländer zumindest kurzfristig kein Problem. Langfristig würden sie sich damit natürlich enorm schaden, weshalb sie eine Gratwanderung versuchen: Hohe Einnahmen erwirtschaften, ohne gleichzeitig die Wirtschaft der Industriestaaten total abzuwürgen und damit einhergehend massive Ausweichbewegungen in Richtung regenerative Energieträger zu provozieren.

Beim Thema Drogen reagiert man indes genau umgekehrt. Hier werden Anbauflächen bewusst vernichtet, immer in der - bislang allerdings trügerischen - Hoffnung, auf diese Weise den Drogensumpf austrocknen zu können. Konsequenz: Die Preise stabilisieren sich auf hohem Niveau. Die Zahl der Abhängigen beträgt zur Zeit 26 Millionen Menschen oder 0,6 Prozent der Weltbevölkerung, beklagen die Vereinten Nationen. Und jährlich sterben 200.000 davon an ihrer Drogensucht. Die Bemühungen, das zu ändern, sind jedoch weitgehend erfolglos und darüber hinaus politisch kontraproduktiv.

"Afghanistan verzeichnete 2007 eine Opium-Rekordernte. 80 Prozent der Erträge stammen aus fünf südlichen Provinzen, in denen die aufständischen Taliban ihre Stützpunkte haben. Diese stecken den Großteil der Gewinne ein. Ähnlich ist die Lage in Kolumbien, dem größten Kokainproduzenten der Welt. Dort kontrollieren die Rebellen der Farc den Anbau der Koka-Sträucher und die Herstellung von Kokain. Sie haben laut Unodc die Anbauflächen im vergangenen Jahr um mehr als ein Viertel ausgeweitet." [1] Mit anderen Worten: Die Taliban und die Farc profitieren vom hohen Marktpreis für Drogen und haben entsprechende Einnahmen, mit denen sie wiederum ihre politischen/militärischen Ziele verfolgen. Der Mitteleinsatz, dem Einhalt zu gebieten, ist immens.

Dabei ginge es viel einfacher: Nutzt endlich auch bei den Drogen die Marktgesetze. Ich weiß, Drogen sind ungemein schädlich, aber man sollte sie dennoch freigeben, d.h. legalisieren. Ob es hinterher tatsächlich wesentlich mehr Konsumenten gäbe, ist umstritten. Immerhin konsumieren in den Niederlanden, wo Besitz und Erwerb kleiner Mengen de facto legal ist, deutlich weniger Einwohner Cannabis als in der Bundesrepublik. Aufklärungskampagnen ("Drogenkonsum schädigt Ihr Gehirn") tun bestimmt ein Übriges. Doch worauf es eigentlich ankommt: Der illegale Markt mit seinen prohibitiv hohen Preisen bräche unweigerlich in kurzer Zeit zusammen. Die Anbauflächen würde zwar anfangs rasant steigen, aber das ließe entsprechend den Marktgesetzen nur die Preise in den Keller purzeln: Steigendes Angebot trifft auf hoffentlich stagnierenden oder gar sinkenden Konsum. Folge: Die Produktion von Drogen ist dann nicht mehr so lukrativ wie heute.

Außerdem wären die Konsumenten keinesfalls dazu bereit, total überhöhte Preise zahlen, wenn sie ihre Drogensucht ganz legal an jeder Straßenecke befriedigen könnten. Oder würden Sie einem Dealer für eine Flasche Bier 35 Euro oder für ein Päckchen Zigaretten 50 Euro in den Rachen werfen, wenn Sie beides an der nächsten Tanke zum Normalpreis bekämen? Wohl kaum. Nur ein totales Verbot könnte Bier und Tabakwaren ähnlich teuer machen wie Cannabis oder Kokain. Zusätzlicher Effekt: Die Taliban und die Farc müssten sich neue Einnahmequellen suchen, was ihnen unter Umständen verdammt schwer fiele. Des weiteren entfiele hierzulande ein Großteil der Beschaffungskriminalität.

Also: Lasst uns mit den Marktmechanismen den Terrorismus und die Drogen-Mafia bekämpfen.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 27.06.2008