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31. Juli 2008, von Michael Schöfer
Propagandistischer Rohrkrepierer


China hat seine Zusage, während der Olympiade die ungehinderte Berichterstattung zu gewährleisten, gebrochen. Das war abzusehen. Selbst im Pekinger Pressezentrum, in dem ausschließlich akkreditiere Journalisten arbeiten, sind zahlreiche Internetseiten gesperrt. Dass die chinesischen Machthaber Andersdenkende in Umerziehungslager stecken und aus Angst vor der Meinungsfreiheit sämtliche Medien einer strikten Zensur unterwerfen, ist weder neu noch tolerierbar.

Die Vergabe der Olympischen Spiele an das "Reich der Mitte" war nicht nur eine sportliche, sondern ebenso eine politische Entscheidung. Doch davon will das Internationale Olympische Komitee (IOC) plötzlich nichts mehr wissen. Die Zusage auf freie Berichterstattung habe sich lediglich auf Websites bezogen, die sich direkt mit den Sportveranstaltungen befassen, erklärt es jetzt unterwürfig. Politische Websites, etwa die von Amnesty International, der Deutschen Welle, der BBC oder Reporter ohne Grenzen seien damit nicht gemeint gewesen. "Meine Sorge und Verantwortung ist es sicherzustellen, dass über die Wettkämpfe für die ganze Welt offen berichtet wird", bemerkt ein ranghoher Vertreter des IOC. [1] Das Interesse gilt also einzig und allein der möglichst reibungslosen Inszenierung der Spiele.

Inszenierung ist das richtige Wort. Wir werden es erleben. Die chinesischen Machthaber versuchen zweifellos, uns ein absolut unpolitisches Friede-Freude-Eierkuchen-Spektakel vorzuführen. Alles, was dabei auch nur im Entferntesten stören könnte, wird deshalb konsequent unterdrückt. Und was das angeht, arbeiten Regierung und IOC Hand in Hand. Darauf kann man sich verlassen. Beim größten Sportereignis des Planeten zählen schließlich Meter und Sekunden, Berichte über gefolterte Dissidenten irritieren da bloß.

Die Fernsehzuschauer zu Hause an den Bildschirmen haben sich gefälligst für vor Rührung weinende Medaillengewinner und natürlich insbesondere für die Sponsoren und deren Werbeclips zu interessieren. Die Wirtschaft engagiert sich doch nicht, um China ein bisschen Freiheit zu bringen. Nein, es geht, wie immer in solchen Fällen, allein ums Geschäft. Da werden sogar Bedenken, die einen vielleicht mit Blick auf die mutmaßlich hochgedopte Teilnehmerriege der Veranstalter beschleichen könnten, zurückgestellt. The games must go on. Wer die Olympiade tatsächlich nur als Sportereignis sieht, ist bestenfalls naiv.

Doch schon jetzt sind die Olympischen Spiele für die chinesische Regierung zum propagandistischen Rohrkrepierer mutiert, wenn nicht gar zu einem Alptraum geworden. Das Ansinnen, die Weltöffentlichkeit zu blenden, wie es Hitler-Deutschland anno 1936 mustergültig vorexerzierte, geht nicht auf. Bislang wird nämlich hauptsächlich über den autoritären Charakter des chinesischen Regimes bzw. die Unterdrückungsmaßnahmen in Tibet berichtet. Und es ist wahrscheinlich, dass sich dies auch während der eigentlichen Wettkämpfe nicht ändert.

Die Machthaber präsentieren sich momentan genauso, wie es Regimekritiker stets vorausgesagt haben: mit der für Diktaturen typischen Borniertheit. Da werden aus einem paranoiden Kontrollzwang heraus Oppositionelle verhaftet und die internationale Presse gegängelt. Nicht einmal dazu, für ein paar Wochen großzügig über manches hinwegzusehen, konnte sich das Regime durchringen. So etwas ist den Regierenden zutiefst wesensfremd. Aber das macht den Spagat, einerseits jede Kritik schon im Vorfeld unterbinden zu wollen und andererseits dennoch heitere Spiele vorzuführen, schlechterdings unmöglich.

Mit anderen Worten: Chinas KP demaskiert sich nachhaltig, sie verliert endgültig ihr Gesicht. Die Olympischen Spiele von Peking werden demzufolge keinesfalls beschwingte Spiele sein, vermutlich gehen sie als "die peinlichen Spiele" in die Geschichte ein. Peinlich vor allem für das IOC, das bei dieser Farce bereitwillig mitspielt.



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[1] Frankfurter Rundschau vom 31.07.2008