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25. Oktober 2008, von Michael Schöfer
Demokratiewidrige Schnapsidee


Mecklenburg-Vorpommern will Rechtsextremisten an Kandidaturen bei Bürgermeister- und Landratswahlen hindern, dazu soll das Kommunalwahlgesetz geändert werden. "Wahlausschüsse sollen künftig bei begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue von Bewerbern Auskünfte vom Verfassungsschutz anfordern können. Sollten sich die Zweifel bestätigen, fehle die Voraussetzung für ein Wahlamt und damit auch für die Zulassung zur Wahl." [1]

Man muss für Rechte keine Sympathie empfinden, um dieses Ansinnen als demokratiewidrige Schnapsidee, ja geradezu als eine Gefahr für das Gemeinwesen zu bezeichnen. Artikel 33 Abs. 1 des Grundgesetzes besagt, dass jeder Deutsche "die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" hat. Außerdem legt Abs. 2 fest: "Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte." Das gilt selbstverständlich auch für Rechte. Und das ist gut so, vor dem Gesetz sind nämlich alle gleich. Bislang sind Wahlausschlüsse nur in engen Grenzen zulässig, das muss so bleiben. Mit anderen Worten: Es darf keinen Gesinnungs-TÜV geben, wenn es um die Besetzung von Wahlämtern geht, denn das ist allein eine Sache des Wählers. Das Vorhaben, das Kommunalwahlgesetz zu ändern, beruht auf einem völlig falschen Verständnis von "wehrhafter Demokratie". Es ist vielmehr ein Zeichen der Schwäche, demokratische Prinzipien außer Kraft zu setzen. Der Rechtsstaat ist mit rechtsstaatswidrigen Mitteln nicht zu retten.

Gefährlich wird das Vorhaben, weil es darüber hinaus keine Garantie gibt, derartige Einschränkungen allein auf Rechtsextreme zu begrenzen. Wer will denn dafür die Garantie übernehmen? Und wo genau verlaufen die Grenzen? Bedenkliche Äußerungen gibt es schließlich auch innerhalb der Union. Und Anfang der achtziger Jahre wurde die damals gerade gegründete Partei "Die Grünen" von ihren politischen Gegnern bewusst in die Nähe des Terrorismus gerückt. Das war natürlich kompletter Unsinn und nichts anderes als plumpe Parteipropaganda. Ebenso die ständig erhobene Forderung, die Ökopartei solle sich erst einmal von der Gewalt (zur Durchsetzung politischer Ziele) distanzieren, bevor man mit ihr diskutiert. Das beabsichtigte Kommunalwahlgesetz in Mecklenburg-Vorpommern hätte damals womöglich gegen die Grünen angewandt werden können. Und was passiert mit einem überzeugten Anhänger Fidel Castros und Che Guevaras innerhalb der Linken? Gibt es da ebenfalls "begründete Zweifel an der Verfassungstreue"? Das zeigt, wohin solche Gesetze führen.

Außerdem, was sollen Auskünfte der Verfassungsschutzämter bringen? Erstens wird der Verfassungsschutz einen Teufel tun und seine Erkenntnisse en détail übermitteln, schon allein weil dadurch unter Umständen Quellen enttarnt werden. Zweitens sind diese Erkenntnisse häufig dubiosen Ursprungs, d.h. sie sind unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten äußerst fragwürdig. Drittens: Wer überprüft eigentlich, ob die Akten tatsächlich die Wahrheit sagen? (Sofern der Verfassungsschutz überhaupt eine Akte über mich führt, würde ich die gerne mal sehen.) Will man damit wirklich den Ausschluss vom passiven Wahlrecht begründen? Die Verfassungsgerichte werden sich darüber gewiss freuen.

Das Kommunalwahlgesetz im o.g. Sinne zu ändern, wird daher vermutlich schon an den Hütern der Verfassung scheitern. Und das zu Recht. Sich mit dem Rechtsextremismus auseinander zu setzen, ist eine politische Aufgabe. Wenn die demokratischen Parteien nicht in der Lage sind, genug Wähler zu überzeugen, liegt es vielleicht an ihnen selbst respektive an ihrer verfehlten Politik. Aber das wird in den Parteizentralen gerne übersehen.

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[1] Die Welt vom 24.10.2008