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20. Januar 2009, von Michael Schöfer
Alles könnte so einfach sein...


...wäre Deutschland, ähnlich wie Thailand, eine Monarchie. Der australische Autor Harry Nicolaides ist soeben in Bangkok zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Grund: Majestätsbeleidigung. Sein Verbrechen: In einem Roman schrieb er über den Lebenswandel eines namentlich nicht genannten Prinzen. Was genau, ist geheim, das darf niemand wiederholen. Zumindest in Thailand. Die Ankläger bezogen den Roman jedenfalls aufs Königshaus. Dabei hat Nicolaides noch Glück gehabt, denn Kritik an der thailändischen Königsfamilie kann bis zu 15 Jahren Haft einbringen. [1] Je ferner die Länder, desto rauer die Sitten.

Würde man diese Verhältnisse auf Deutschland übertragen, die hiesigen Gefängnisse wären mit Kabarettisten wie Volker Pispers oder Dieter Hildebrandt buchstäblich überfüllt. Was es, beiläufig bemerkt, etwas angenehmer machen würde hinter Schwedischen Gardinen zu sitzen. Aber nur ein bisschen. Fernsehsendungen wie "Neues aus der Anstalt" hätten einen authentischeren Charakter, weil die Satire mitsamt den Künstlern hinter die Mauern realer Verwahreinrichtungen verbannt wäre. Ob davon der Begriff "Realsatire" kommt?

Wie auch immer, keiner hätte sich jemals über "Seine Majestät" Edmund Stoiber (laut Stern der "Meister der Versprecher") ob seiner vielen "Ähs" lustig gemacht. Er könnte noch heute regieren. Und Huber, Beckstein, Seehofer & Co. würden wie gehabt in der bayerischen Staatskanzlei katzbuckeln. Oder glauben Sie, es hätte irgend jemand gewagt, zum hessischen Pinocchio "Roland Kotz" (wie Kotzbrocken) zu sagen? Keiner, nicht einmal unsere verehrte Frau Bundeskanzlerin. Eine gewisse Andrea Ypsilanti schon gar nicht. Einzig Dagmar Metzger hätte sich das vielleicht erlauben dürfen, weil sie beim Dauerkotz..., Verzeihung: Dauerministerpräsidenten, einen riesengroßen Stein im Brett hat. Raten Sie mal, warum.

Franz Müntefering gäbe doch einen formidablen König ab, dann müsste er wenigstens nicht Mitleid erheischend auf den Knien durch ganz Deutschland rutschen und den Wähler um ein paar Prozente anbetteln. "Hey, haste mal 'ne Zweitstimme?" Unter "Klare Kante I." würde bestimmt eine Agenda nach der anderen durchs Land fegen, schließlich hat schon die erste phänomenale Ergebnisse geliefert (es soll SPD-Anhänger geben, die das tatsächlich glauben). Und könnten Sie sich Guido Westerwelle als Gottkönig vorstellen? Nein? Ha, der würde den Liberalismus sogar mit der Monarchie versöhnen. Wie bitte, das kollidiert Ihrer Meinung nach grundlegend mit der Geschichte des Liberalismus? Ach was, Hauptsache Guido II. (Guido I. verlor 1187 Jerusalem an Saladin) kann endlich den Staatsschatz zugunsten von Steuersenkungen auf Null reduzieren. Wahlspruch: "When you got nothing, you got nothing to lose." Die Finanzkrise hätte urplötzlich jeden Schrecken verloren.

Sie merken, alles könnte so einfach sein, wäre Deutschland bloß eine Monarchie. Keine Wahlen, kein Parteiengezänk und keine kritischen Weblogs. Ich könnte, anstatt mit Hilfe der Tastatur meine Sehnenscheidenentzündung zu pflegen, seelenruhig vor der Glotze sitzen und mir den Heimatfilm "Angela - Schicksalsjahre einer Kanzlerin" (garantiert satirefrei) reinziehen. Und wenn dann Prinz Kotz (jede Übereinstimmung mit lebenden Personen ist rein zufällig) endlich seine Angebetete bekommt, müsste ich mir die Tränen von den Wangen wischen. Das ist der Demokratie nie gelungen. Am Sonntagabend, als im Hessenland die ersten Hochrechnungen hereinkamen, konnte ich nicht einmal heulen.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 19.01.2009